Das Testament
konnte. Allerdings war Nate überzeugt, dass ihm das auch aus dem Handgelenk und ohne jede Vorbereitung möglich gewesen wäre. Zeugenbefragungen hatte er schon tausend Mal vorgenommen.
Nate stellte sich Troy Junior vor, der ihm nervös zulächelte, etwa so wie der Insasse einer Todeszelle gegenüber dem Henker. Sein Blick schien zu fragen: »Es wird doch nicht weh tun?«
Schon mit seiner freundlichen Einleitungsfrage, ob Troy Junior derzeit unter dem Einfluss von Alkohol, Drogen oder Medikamenten stehe, verärgerte Nate die Phelan-Anwälte auf der anderen Seite des Tisches. Lediglich Hark ordnete die Frage richtig ein. Er hatte fast ebenso viele Zeugenbefragungen durchgeführt wie Nate O’Riley.
Das Lächeln verschwand. »Nein«, blaffte Troy Junior. Zwar hatte er entsetzliche Kopfschmerzen von einem Kater, aber er war nüchtern.
»Und Ihnen ist klar, dass Sie soeben mit einem Eid bekräftigt haben, die Wahrheit zu sagen?«
»Ja.«
»Ist Ihnen auch klar, was Meineid bedeutet?«
»Absolut.«
»Wer ist Ihr Anwalt?« fragte Nate mit einer Handbewegung zur anderen Seite des Tisches.
»Hark Gettys.«
Mr. O’Rileys Überheblichkeit ärgerte die Anwälte erneut, diesmal auch Hark. Nate hatte sich nicht die Mühe gemacht, in Erfahrung zu bringen, welcher Anwalt welchen Mandanten vertrat. Seine Geringschätzung war beleidigend.
Innerhalb der ersten zwei Minuten hatte Nate den bösen Ton etabliert, den er den ganzen Tag über beibehalten sollte. Er ließ wenig Zweifel daran, dass er Troy Junior kein Wort glaubte, und vielleicht war der Mann ja doch nicht nüchtern. Es war ein alter Trick.
»Wie oft waren Sie verheiratet?«
»Und Sie?« blaffte Junior zurück, woraufhin er sich beifallheischend zu seinem Anwalt umsah. Hark betrachtete ein Blatt Papier.
Nate bewahrte die Ruhe. Wer wusste schon, was die Phelan-Anwälte über ihn gesagt hatten? Es war ihm egal.
»Ich möchte Ihnen etwas erklären, Mr. Phelan«, sagte Nate ohne die geringste Spur von Erregung. »Ich werde das sehr langsam tun, und hören Sie bitte gut zu.
Ich bin der Anwalt, Sie sind der Zeuge. Können Sie mir bis dahin folgen?«
Troy Junior nickte langsam.
»Ich stelle die Fragen, Sie antworten. Verstehen Sie das?«
Wieder nickte der Zeuge.
»Sie stellen keine Fragen, und ich gebe keine Antworten. Verstanden?«
»Ja.«
»So. Ich glaube nicht, dass Sie Schwierigkeiten mit den Antworten haben werden, wenn Sie gut zuhören, was ich frage. In Ordnung?«
Wieder nickte Junior.
»Sind Sie nach wie vor unsicher?«
»Nein.«
»Schön. Falls Sie bei einer Frage nicht sicher sind, dürfen Sie sich gern mit Ihrem Anwalt beraten. Drücke ich mich verständlich aus?«
»Absolut.«
»Wunderbar. Dann probieren wir es noch einmal. Wie oft waren Sie verheiratet?«
»Zweimal.«
Eine Stunde später waren Juniors Ehe, Kinder und seine Scheidung abgehandelt.
Schwitzend fragte er sich, wie lange seine Befragung dauern würde. Die Phelan-Anwälte hielten den Blick ausdruckslos auf irgendwelche Bogen Papier gerichtet und fragten sich dasselbe. Dabei hatte Nate noch nicht ein einziges Mal auf die Blätter mit den für ihn vorbereiteten Fragen geschaut. Er konnte einen Zeugen schon dadurch in die größte Verlegenheit bringen, dass er ihm in die Augen sah und eine Frage an die andere knüpfte. Keine Einzelheit war ihm zu unbedeutend. Wo ist Ihre erste Frau zur Schule gegangen, wo hat sie studiert, was war ihre erste Stelle? War das ihre erste Ehe? Berichten Sie uns über die verschiedenen Anstellungen Ihrer Frau. Wir wollen uns einmal über die Scheidung unterhalten. Zu welchen Unterhaltszahlungen sind Sie verpflichtet? Sind Sie damit in Rückstand?
Die meisten dieser Aussagen hatten mit der Sache nicht das geringste zu tun, sondern dienten ausschließlich dem Zweck, den Zeugen zu reizen und ihm klarzumachen, dass man jederzeit Leichen aus dem Keller holen konnte. Troy Junior hatte die Anfechtungsklage eingereicht und musste jetzt die Folgen tragen.
Die verflossenen Jobs des Zeugen nahmen den Rest des Vormittags in Anspruch.
Junior kam ziemlich ins Stottern, als ihn Nate nach den verschiedenen Positionen fragte, die er in den Unternehmen seines Vaters innegehabt hatte. Es gab Dutzende von Zeugen, die aufgerufen werden konnten, um seine Selbsteinschätzung in Frage zu stellen. Bei jeder Tätigkeit fragte Nate nach den Namen seiner sämtlichen Mitarbeiter und Vorgesetzten. Die Falle konnte jederzeit zuschnappen.
Hark sah das kommen und beantragte eine
Weitere Kostenlose Bücher