Das Testament
der Technik«, sagte Josh mit offenbarem Stolz auf die von ihm zusammengetragenen Sachen. »Valdir wählt dich in das örtliche Netz ein, sobald du in Corumba bist.«
»Das heißt, die haben in Brasilien Telefone.«
»Nicht zu knapp. Die Telekommunikation ist da unten eine Wachstumsindustrie.
Alle Leute laufen da mit Handys rum.«
»Die armen Menschen. Und was ist das da?«
»Ein Computer.«
»Was zum Teufel soll ich damit?«
»Es ist das neueste auf dem Gebiet. Sieh nur, wie klein!«
»Ich kann nicht mal die Zeichen auf der Tastatur lesen.«
»Du kannst ihn mit dem Telefon verbinden und auf diese Weise deine E-Mails empfangen.«
»Mann! Und was hilft mir das mitten im Sumpf, wo es nichts als Schlangen und Alligatoren gibt?«
»Das hängt von dir ab.«
»Josh, ich hab nicht mal im Büro mit E-Mail gearbeitet.«
»Das ist nicht für dich, sondern für mich. Ich möchte immer mit dir in Verbindung bleiben und sofort Bescheid wissen, wenn du die Frau findest.«
»Und was ist das da?«
»Das beste Spielzeug in der ganzen Kiste. Ein Satelliten-Telefon. Du kannst es überall auf der Welt einsetzen. Solange du darauf achtest, dass die Batterien geladen sind, kannst du mich immer erreichen.«
»Du hast doch gerade gesagt, dass die da unten ein großartiges Telefonsystem haben.«
»Nicht im Pantanal. Das sind zweihundertfünfzigtausend Quadratkilometer Schwemmland, in dem es keine einzige Stadt und nur sehr wenige Menschen gibt.
Das Satelliten-Telefon ist sozusagen die Nabelschnur, die dich mit der Außenwelt verbindet, sobald du Corumba verlassen hast.«
Nate öffnete das Etui aus Hartplastik und betrachtete aufmerksam das glänzende kleine Telefon. »Wie viel hat dich das
gekostet?« fragte er. »Keinen Cent.«
»Na schön, wie viel hat es den Phelan-Nachlaß gekostet?« »Viertausendvierhundert Dollar. Es ist jeden einzelnen davon wert.«
»Haben meine Indianer denn Strom?« Nate blätterte in der Betriebsanleitung.
»Natürlich nicht.«
»Und wie soll ich dann dafür sorgen, dass die Batterien geladen bleiben?«
»Du hast eine Ersatzbatterie. Irgendwas wird dir schon einfallen.«
»Soviel zum Thema Abgeschiedenheit.«
»Es wird sehr abgeschieden sein. Du wirst mir noch für das Spielzeug dankbar sein, wenn du da unten bist.«
»Kann ich dir auch jetzt schon danken?«
»Nein.«
»Vielen Dank, Josh. Für alles.«
»Nicht der Rede wert.«
Im Menschengewühl des Abfertigungsgebäudes tranken sie an einem Tischchen, das ein Stück von einem Biertresen entfernt stand, dünnen Espresso und lasen Zeitung. Der Tresen brannte sich tief in Joshs Bewusstsein ein. Nate hingegen schien von dessen Existenz nichts zu merken, obwohl die Heineken-Leuchtreklame kaum zu übersehen war.
Ein dürrer Nikolaus zog müde vorüber und hielt Ausschau nach Kindern, die sich billige Geschenke aus seinem Sack holen konnten. Aus einem Musikautomaten neben dem Tresen sang Elvis >Blue Christmas<. Menschen schoben und stießen sich, der Lärm war unerträglich. Alle schienen für die Feiertage nach Hause fliegen zu wollen.
»Wie fühlst du dich?« fragte Josh.
»Gut. Warum gehst du nicht? Bestimmt hast du was Besseres zu tun.«
»Ich bleibe.«
»Hör mal, Josh. Mir geht es wirklich gut. Wenn du glaubst, ich warte bloß darauf, dass du gehst, damit ich rüber an den Tresen renne und mir den Wodka nur so reinschütte, irrst du dich. Ich hab keinerlei Bedürfnis nach Alkohol. Ich bin trocken und ausgesprochen stolz darauf.«
Josh sah ein wenig verlegen drein, in erster Linie, weil Nate seine Gedanken erraten hatte. Nates Sauftouren waren in der Kanzlei legendär. Falls er der Versuchung erlag, gab es am ganzen Flughafen nicht genug Alkohol, um ihn zufrieden zustellen. »Darüber mach ich mir keine Sorgen«, log er.
»Dann geh. Ich bin alt genug.«
Sie verabschiedeten sich am Flugsteig, umarmten sich und verabredeten, möglichst immer genau zur vollen Stunde Verbindung miteinander aufzunehmen. Nate konnte es nicht abwarten, sich in seinen Sitz in der ersten Klasse fallen zu lassen. Josh hatte tausend Dinge im Büro zu erledigen.
Zwei kleine Vorsichtsmaßnahmen hatte er getroffen. Erstens hatte er für den Flug zwei nebeneinanderliegende Plätze gebucht. Nate konnte am Fenster sitzen, der Sitz zum Gang hin würde frei bleiben. Es wäre zu gefährlich, wenn neben ihm ein durstiger Geschäftsmann säße und sich mit Wein und Whisky vollaufen ließe. Zwar kostete jeder der Plätze hin und zurück über siebentausend
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