Das Testament
denn ihre Decks waren in verschmutzte hölzerne Pferche unterteilt.
»Da drüben«, sagte Jevy und wies zum Fluss. Er stellte das Auto am Straßenrand ab, und sie gingen zum Ufer hinunter. Dort lagen mehrere kleine Fischerboote tief im Wasser. Nate hätte nicht sagen können, ob ihre Besitzer gerade kamen oder gingen. Jevy rief zweien von ihnen etwas zu und erntete dafür irgendeine witzige Bemerkung.
»Mein Vater war Bootsführer«, erklärte Jevy. »Als Junge war ich jeden Tag hier unten.«
»Und wo ist er jetzt?« fragte Nate.
»Er ist bei einem Unwetter ertrunken.«
Ist ja großartig, dachte Nate. Die Unwetter erwischen einen hier sowohl in der Luft wie auf dem Wasser.
Ein durchhängendes Stück Sperrholz überbrückte das schmutzige Wasser und führte zu ihrem Boot, das den Namen Santa Loura trug. Sie blieben am Ufer stehen, um es zu bewundern.
»Wie gefällt es Ihnen?« fragte Jevy.
»Ich weiß nicht«, antwortete Nate. Auf jeden Fall war das Boot ansehnlicher als die Viehtransporter. Irgend jemand hämmerte im Heck herum.
Ein Eimer Farbe würde einen enormen Unterschied ausmachen. Mit knapp zwanzig Metern Länge war das Boot größer, als Nate erwartet hatte. Es hatte zwei Decks und am oberen Ende des Niedergangs eine Art Kommandobrücke.
»Bin ich der einzige Passagier?« fragte er.
»So ist es.«
» Und sonst ist niemand an Bord ?«
»Nein. Nur Sie, ich und ein Matrose, der auch kochen kann.«
»Wie heißt der?«
»Welly.«
Die Sperrholzplatte knarrte, hielt aber. Das Boot neigte sich ein wenig zur Seite, als sie an Bord sprangen. Fässer mit Dieseltreibstoff und Wasser standen am Bug. Sie öffneten eine Tür und standen, nachdem sie zwei Stufen hinabgegangen waren, in der Kajüte. Der niedrige Raum enthielt vier Kojen mit weißbezogenen dünnen Schaumgummimatratzen. Nates schmerzende Muskeln zuckten bei der bloßen Vorstellung, eine Woche jede Nacht auf einer davon schlafen zu müssen. In der Kajüte war es wie in einem Backofen. Die Bullaugen waren geschlossen, und es gab keine Klimaanlage.
»Wir besorgen noch einen Ventilator«, sagte Jevy, der zu merken schien, was in Nate vorging. »Wenn das Boot fährt, ist es auch nicht so schlimm.« Nate konnte das unmöglich glauben. Auf dem Weg zum Heck mussten sie sich seitwärts durch einen schmalen Gang drücken. Dabei kamen sie an der mit einem Propangaskocher und einem Spülbecken ausgestatteten kleinen Kombüse, dem Maschinenraum und schließlich einer Art Badezimmer vorbei. Im Maschinenraum machte sich gerade ein ölverschmierter schwitzender Mann mit nacktem Oberkörper zu schaffen. Er sah den Schraubenschlüssel in seiner Hand an, als hätte dieser ihn beleidigt.
Jevy, der den Mann kannte, musste wohl etwas Falsches gesagt haben, denn mit einem Mal erfüllten scharfe Worte die Luft. Nate folgte dem Gang bis zum Heck und sah, dass die Santa Loura ein kleines Aluminiumboot im Schlepp hatte. Es war mit Paddeln und einem Außenbordmotor ausgerüstet. Nate stellte sich vor, wie er mit Jevy durch seichte Gewässer streifte, zwischen Baumstämmen und Wasserpflanzen hindurch, Kaimanen auswich, von einer erneuten ergebnislosen Suche zurückkehrte. Das Abenteuer wurde immer greifbarer.
Jevy lachte, und die Spannung löste sich. Er trat zu Nate ans Heck und sagte:
»Er braucht ‘ne Ölpumpe, aber der Laden hat heute zu.«
»Und was ist mit morgen?« fragte Nate.
»Kein Problem.«
»Wozu dient das kleine Boot da?«
»Für vieles.«
Sie stiegen über die Gräting zur Brücke empor, wo sich Jevy das Steuerruder und die Bedienungsschalter genau ansah. Hinter der Brücke lag ein kleiner offener Raum mit zwei Kojen; dort würden Jevy und der Matrose abwechselnd schlafen. Noch weiter hinten befand sich ein mehrere Quadratmeter großes offenes Deck, über das sich eine hellgrüne Persenning spannte. Unter ihr sah Nate eine Hängematte, die recht bequem außah und sofort seine Aufmerksamkeit erweckte.
»Die ist für Sie«, sagte Jevy mit einem Lächeln. »Sie werden viel Zeit zum Lesen und zum Schlafen haben.«
»Wie schön«, sagte Nate.
»Mit diesem Boot werden manchmal Touristen herumgefahren, die das Pantanal sehen möchten, meistens Deutsche.«
»Haben Sie es schon früher geführt?«
»Ja, mehrere Male. Vor ein paar Jahren. Der Eigner ist kein besonders angenehmer Mensch.«
Nate setzte sich prüfend auf die Hängematte und zog dann die schmerzenden Beine nach, bis er richtig darin lag. Jevy gab ihm einen Stoß und ging dann, um noch
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