Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Testament

Das Testament

Titel: Das Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
die Zeit zu achten. Jevy nahm Fahrt weg, als sie sich der ersten Gabelung näherten; zahllose weitere würden folgen. Ein Fluss von gleicher Breite ging nach links ab, und Jevy stand vor der Entscheidung, welcher Richtung sie folgen mussten, um auf dem Cabixa zu bleiben. Sie hielten sich rechts, fuhren jetzt aber langsamer und gelangten bald auf eine große Wasserfläche, die wie ein See aussah. Jevy stellte den Motor ab. »Augenblick«, sagte er, stellte sich auf die Treibstoffkanister und sah auf das Wasser um sie herum. Das Boot lag vollkommen still. Dann fiel ihm eine Reihe gezackter niedriger Bäume auf. Er wies in die Richtung und sagte etwas.
    Nate wusste nicht, wie sicher Jevy seiner Sache war. Er hatte die Flusskarten gründlich studiert und sich lange auf diesen Gewässern aufgehalten. Sie alle führten zum Paraguay zurück. Falls er eine falsche Richtung einschlug und sich verirrte, würde die Strömung sie schließlich zu Welly zurückbringen.
    Sie fuhren an der Linie der niedrigen Bäume und überschwemmten Dickichte vorüber, die während der Trockenzeit das Ufer bildete, und befanden sich bald in der Mitte einer seichten Wasserfläche, über der sich ein Baumdach wölbte. In Nates Augen sah das nicht wie der Cabixa aus, aber ein rascher Blick zu Jevy zeigte nichts als Zuversicht.
    Nach einer Stunde erreichten sie die erste menschliche Ansiedlung - eine kleine Hütte mit einem roten Ziegeldach. Das Wasser stand an den schlammbedeckten Mauern fast einen Meter hoch, und man sah nicht den geringsten Hinweis auf Mensch oder Tier. Jevy nahm Fahrt weg, damit sie miteinander reden konnten.
    »In der Regenzeit gehen viele Menschen im Pantanal mit ihren Kühen und Kindern in höhergelegenes Gelände. Da bleiben sie dann drei Monate.«
    »Ich habe hier aber nichts gesehen, was höher liegt.«
    »Viel gibt es davon auch nicht. Aber jeder pantaneiro kennt eine Stelle, die er um diese Jahreszeit aufsuchen kann.«
    »Und was ist mit den Indianern?«
    »Die ziehen auch umher.«
    »Ist ja großartig! Wir wissen nicht, wo sie sich aufhalten, und sie ziehen gern umher.«
    Leise vor sich hin lachend, sagte Jevy: »Wir finden sie schon.«
    Sie trieben an der Hütte vorüber, die weder Türen noch Fenster hatte. Besonders einladend sah sie nicht aus.
    Neunzig Minuten. Nate hatte seine Furcht, gefressen zu werden, schon ganz vergessen, doch dann sahen sie nach einer Flusskrümmung einen Trupp Kaimane, die dicht beieinander im nur etwa eine Handbreit tiefen Wasser ruhten. Die Ankunft des Bootes störte sie auf. Schwanzschlagend suchten sie tieferes Wasser auf.
    Nate warf einen Blick auf die Machete, für alle Fälle, und lachte dann über seine eigene Dummheit.
    Die Reptilien dachten gar nicht daran, anzugreifen, und sahen nur träge zu, wie das Boot vorüberglitt.
    Zwanzig Minuten lang entdeckten sie keine weiteren Tiere. Wieder wurde das Gewässer schmaler. Die Ufer rückten so dicht aneinander, dass Bäume von beiden Seiten sich über dem Wasser berührten. Mit einem Mal war es dunkel. Sie trieben durch einen Tunnel. Nate sah auf die Uhr. Sie waren zwei Stunden von der Santa Loura entfernt.
    Während sie im Zickzack durch das Sumpfgebiet fuhren, erhaschten sie Blicke auf den Horizont. Die aufragenden Bergketten Boliviens schienen näher zu kommen. Der Fluss wurde wieder breiter, die Bäume wichen auseinander, und sie befanden sich auf einer großen Wasserfläche, in die mehr als ein Dutzend gewundene Flussläufe mündeten. Langsam fuhren sie das Gewässer einmal im Kreise ab, dann noch einmal langsamer. Ein Wasserlauf sah haargenau so aus wie der andere. Der Cabixa war einer von einem Dutzend, und Jevy wusste nicht, welcher.
    Er stellte sich wieder auf die Benzinkanister und spähte über das Wasser, während Nate regungslos sitzen blieb. Ihnen gegenüber sahen sie einen Angler im Röhricht. Dass sie ihn entdeckt hatten, sollte der einzige Moment des Tages sein, an dem ihnen das Glück beistand.
    Der Mann saß geduldig in einem kleinen Kanu, das vor langer Zeit aus einem Baumstamm herausgehauen worden war. Sein zerfetzter Strohhut verbarg sein Gesicht fast vollständig. Als sie so nah herangekommen waren, dass sie Einzelheiten erkennen konnten, merkte Nate, dass er ohne Angelrute fischte und sich die Schnur einfach um die Hand gewickelt hatte.
    Jevy sagte genau das Richtige auf portugiesisch und gab dem Mann eine Flasche Wasser. Nate lauschte lächelnd den verschliffenen Lauten der sonderbaren Sprache, die etwa so nasal

Weitere Kostenlose Bücher