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Das Testament

Das Testament

Titel: Das Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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umsirrten. Am Ende der Mahlzeit sprühte er sich vom Hals bis zu den bloßen Füssen mit Insektenschutzmittel ein. Der Anfall war vorüber. Er hatte den Geschmack von Bier nicht mehr im Mund und roch auch nicht mehr die Erdnüsse aus seiner Lieblingsbar.
    Er zog sich in seine Zuflucht zurück. Es regnete wieder, still, ohne Wind oder Donner. Josh hatte ihm vier Bücher für Mußestunden eingepackt. Da er inzwischen alle Aktennotizen und Anweisungen mehrfach gelesen hatte, blieben ihm nur die Bücher. Die Hälfte des dünnsten hatte er bereits gelesen.
    Er vergrub sich tief in die Hängematte und wandte sich erneut dem Buch zu, das die traurige Geschichte von Brasiliens Ureinwohnern beschrieb.
    Als der Portugiese Pedro Alvares Cabral im April des Jahres 1500 an der Küste von Bahia zum ersten Mal den Fuß auf brasilianischen Boden setzte, lebten dort fünf Millionen Indianer, die sich auf rund neunhundert Stämme mit elfhundertfünfundsiebzig Sprachen verteilten. Sah man von den üblichen Stammesfehden ab, handelte es sich um friedliche Menschen.
    Nach knapp fünfhundert Jahren der >Zivilisierung< durch Europäer gab es nur noch zweihundertsiebzigtausend Indianer in zweihundertsechs Stämmen, die sich mit Hilfe von einhundert-siebzig Sprachen verständigten. Krieg, Mord, Sklaverei, Gebietsraub, Krankheiten - die Vertreter der zivilisierten Länder hatten keine Möglichkeit ausgelassen, die indianische Bevölkerung zu dezimieren.
    Es war eine üble Geschichte voller Gewalt. Verhielten sich die Indianer friedfertig und bemühten sich, mit den Siedlern auszukommen, fielen sie Krankheiten wie Pocken, Masern, Gelbfieber, Grippe, Tuberkulose zum Opfer, die bei ihnen bis dahin unbekannt waren und gegen die sie keine Abwehrkräfte besaßen. Waren sie nicht friedfertig, wurden sie von Männern abgeschlachtet, deren Waffen raffinierter waren als Blasrohre und Giftpfeile. Sofern sie sich gegen ihre Angreifer zur Wehr setzten und sie töteten, wurden sie als Wilde gebrandmarkt.
    Sie wurden von Bergbauunternehmern, Viehzüchtern und Kautschukbaronen versklavt, und jeder, der genug Schusswaffen hatte, konnte sie aus ihren angestammten Wohngebieten vertreiben. Priester verbrannten sie auf dem Scheiterhaufen, Banditenhorden jagten sie, jeder, dem danach war, tötete sie ungestraft und vergewaltigte ihre Frauen. Sobald die Interessen der brasilianischen Eingeborenen und der Weißen aufeinander prallten, hatten die Indianer verloren, ganz gleich, ob es dabei um wichtige oder unwichtige Ereignisse ging.
    Wer nahezu ein halbes Jahrtausend lang immer nur auf der Verliererseite steht, erwartet nur wenig vom Leben. Das größte Problem für einige der Stämme war in neuerer Zeit der Selbstmord ihrer jungen Leute.
    Endlich beschloss die Regierung des Landes nach Jahrhunderten des Völkermords, es sei an der Zeit, die »edlen Wilden« zu schützen. Da Massaker in jüngerer Zeit zu internationaler Kritik geführt hatten, richtete man Behörden ein und erließ Gesetze. Nicht ohne auf die eigene Großzügigkeit hinzuweisen, gab man den Eingeborenen einen Teil ihrer Stammesgebiete zurück und zog auf amtlichen Karten Linien, mit denen diese zu Sicherheitszonen erklärt wurden.

    Doch die Regierung war zugleich der Feind. Als im Jahre 1967 die für die Indianerfragen zuständige Behörde überprüft wurde, waren die meisten Brasilianer von dem Ergebnis entsetzt. Aus dem Bericht ging hervor, dass Agenten, Bodenspekulanten und Viehzüchter - Kriminelle, die entweder im Dienst der Behörde standen oder denen die Behörde zuarbeitete - mit Hilfe chemischer und bakteriologischer Waffen systematisch Indianer ausgerottet hatten. Entweder hatten sie mit Pocken- und Tuberkulose-Erregern infizierte Kleidungsstücke unter sie verteilt oder von Flugzeugen und Hubschraubern aus tödliche Bakterien über ihrem Siedlungsgebiet und ihren Dörfern verbreitet.
    Im übrigen nahmen Viehzüchter und Bergbauunternehmer im Amazonasbecken und anderen Grenzgebieten die Linien auf der Landkarte so gut wie nicht zur Kenntnis.
    Im Jahre 1986 verseuchte ein Viehzüchter in Rondonia ein in der Nähe seines Besitzes gelegenes Indianergebiet mit tödlich wirkenden Schädlingsbekämpfungsmitteln, die er aus dem Flugzeug versprühte. Er wollte dort Weideflächen anlegen und musste dazu zuvor die Bewohner eliminieren. Obwohl dreißig Indianer dabei umkamen, wurde der Mann nie vor Gericht gestellt. Im Mato Grosso zahlte 1989 ein Viehzüchter Kopfgeldjägern eine Belohnung für die

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