Das Testament
klang wie Französisch und langsamer gesprochen wurde als Spanisch. Sofern sich der Fischer freute, in dieser Einsamkeit einem Mitmenschen zu begegnen, zeigte er das nicht. Wo mochte der Arme nur leben?
Dann begannen die beiden, in Richtung der Berge zu gestikulieren. Nach längerer Zeit kam es Nate so vor, als hätte der Mann mit seinen Richtungsangaben den ganzen See erfaßt. Sie redeten noch eine Weile miteinander, und Nate hatte den Eindruck, dass Jevy aus dem Mann herausholte, was sich von ihm nur erfahren ließ. Es konnte Stunden dauern, bevor sie einem anderen Menschen begegneten.
Angesichts der überschwemmten Sumpfflächen und der Hochwasser führenden Flüsse erwies sich die Navigation als schwierig. Erst zweieinhalb Stunden waren sie unterwegs, und schon wussten sie nicht mehr, wo sie waren.
Eine Wolke kleiner schwarzer Moskitos schwebte über ihnen, und Nate suchte nach dem Insektenschutzmittel. Der Angler beobachtete ihn neugierig.
Sie verabschiedeten sich und paddelten, von einem leichten Wind geschoben, davon. »Seine Mutter war Indianerin«, sagte
Jevy.
»Schön für ihn«, gab Nate zur Antwort, während er Moskitos erschlug.
»Ein paar Stunden von hier liegt eine Ansiedlung.«
»Ein paar Stunden?«
»Vielleicht drei.«
Sie hatten Kraftstoff für fünfzehn Stunden, und Nate nahm sich vor, jede Minute zu zählen. Der Cabixa begann erneut an einer Einmündung, wo auch ein weiterer Fluss, der völlig gleich außah, den See verließ. Er weitete sich, und sie brausten mit Vollgas davon.
Nate setzte sich tiefer ins Boot und fand zwischen der Kiste mit Lebensmitteln und den Schöpfeimern eine Stelle auf dem Boden, wo er sich mit dem Rücken an den Sitz lehnen konnte. Hier erreichte die Gischt sein Gesicht nicht. Er hatte sich gerade auf ein Nickerchen eingestellt, als der Motor zu stottern begann. Das Boot schwankte hin und her und wurde langsamer. Nate hielt den Blick fest auf den Fluss gerichtet, denn er hatte Angst, sich umzudrehen und Jevy anzusehen.
Über Motorenprobleme hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. Es hatte bei der Reise schon genug gefährliche Situationen gegeben. Wenn sie zu Welly zurückpaddeln mussten, würde das Tage harter Arbeit kosten. Sie würden im Boot schlafen müssen, von dem leben, was sie an Vorräten mitgenommen hatten, bis es zur Neige ging, Regenwasser auffangen und hoffen, dass auch auf dem Heimweg der Angler wieder da war, um ihnen den Weg zurück in die Sicherheit zu zeigen.
Mit einem Mal hatte er entsetzliche Angst.
Dann ging es weiter. Der Motor jaulte auf, als wäre nichts geschehen. Das wurde zur Gewohnheit: Etwa alle zwanzig Minuten, kaum, dass Nate wegsacken wollte, unterbrach der Motor sein gleichförmiges Lied. Der Bug tauchte ins Wasser, Nate warf einen raschen Blick zu den Ufern, um zu sehen, welche Tiere sich dort aufhielten. Jevy fluchte auf portugiesisch, spielte ein wenig mit Gas und Choke, dann war für die nächsten zwanzig Minuten wieder alles in Ordnung.
Als sie unter einem Baum an einer kleinen Flussgabelung Mittagspause machten -
es gab Käse, Kekse und Salzgebäck -, begann es zu regnen.
»Kennt der Angler da hinten die Indianer?« fragte Nate.
»Ja. Etwa einmal im Monat kommen sie mit dem Boot zum Paraguay, um Handel zu treiben. Er hat sie schon ein paar Mal gesehen.«
»Haben Sie ihn gefragt, ob je eine Missionarin bei ihnen war?«
»Habe ich. Hat er nicht. Sie sind der erste Nordamerikaner, dem er je begegnet ist.« -
»Der Glückliche.«
Den ersten Hinweis auf die Ansiedlung bekamen sie, nachdem sie nahezu sieben Stunden unterwegs gewesen waren. Nate sah eine dünne blaue Rauchfahne über den Bäumen nahe dem Fuß eines Hügels. Jevy war sicher, dass sie sich inzwischen auf bolivianischem Gebiet befanden. Die überschwemmten Gebiete lagen hinter ihnen.
Das Gelände war höher als zuvor, sie waren ganz in der Nähe der Berge.
Sie kamen an eine Lücke in den Bäumen und sahen zwei Kanus auf einer Lichtung.
Jevy lenkte das Boot dorthin. Rasch sprang Nate ans Ufer, er wollte sich unbedingt die Beine vertreten und festen Boden unter den Füssen spüren.
»Bleiben Sie in der Nähe«, forderte ihn Jevy auf, während er sich an den Benzinkanistern zu schaffen machte. Nate sah zu ihm hin. Ihre Blicke begegneten sich, und Jevy nickte zu den Bäumen hinüber.
Ein Indianer beobachtete sie. Die Haut seines nackten Oberkörpers glänzte bronzefarben. Um die Hüften trug er eine Art Strohrock, und er schien unbewaffnet zu sein.
Weitere Kostenlose Bücher