Das Teufelskind
Lydia versperrte ihm den Weg. »Nein, ich glaube dir ja.«
»Dann brauchst du dich nicht so anzustellen.«
Lydia legte den Kopf schief. »Dein Onkel mag mich nicht.«
Johnnys Augen wurden groß. »Wieso? Er hat Kinder gern. Das siehst du doch bei mir. Sogar ein Auto habe ich bekommen…«
»Ja«, dehnte Lydia wie eine Erwachsene. »Er mag mich trotzdem nicht, dein Onkel.«
»Und warum nicht?«
Lydia ging auf diese Frage nicht ein. Statt dessen sagte sie: »Aber ich mag ihn auch nicht.«
»Er hat dir nichts getan.«
Lydia hob die Schultern. Sie bewegte dabei ihren Mund, aber Johnny verstand nicht was sie sagte. Danach ging sie einfach weiter, ohne sich um den Jungen zu kümmern.
Johnny wußte nicht, was er tun sollte. Er stand da, schaute auf seine schmutzigen Schuhe, blickte zum Haus, sah schließlich dem Mädchen hinterher und bemerkte nicht, daß Lydia den Kopf gesenkt und gleichzeitig schräg gelegt hatte, um zwischen Arm und Achsel zurückschauen zu können. Denn sie wollte, daß der Junge ihr folgte. Johnny entschloß sich. Er dachte daran, was er seiner Freundin versprochen hatte und rannte hinter ihr her. »Warte doch!« rief er. »Das ist doof, was du da machst.«
Erst dicht vor dem Tor blieb Lydia stehen und ging schließlich weiter, als der Junge sie eingeholt hatte.
»Du stellst dich immer an…«, beschwerte sich Johnny, wobei er heftig atmete, denn er war lange gerannt.
»Willst du mit mir spielen oder nicht?« Die Frage des Mädchens klang sehr aggressiv.
»Klar.«
»Dann komm auch.«
»Aber nicht mit deiner Katze.«
Lydia blieb stehen. Sie schaute Johnny an, und ihre seltsamen Augen wurden noch schmaler. »Wieso nicht?«
»Ich mag sie nicht.«
»Sie ist doch nett.«
»Nein, die ist nicht nett.« Johnny stampfte mit dem Fuß auf. »Sie ist gefährlich.«
»Wie deine Wölfin, was?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Nadine ist toll. Sie ist meine Freundin. Die hat mir schon mal das Leben gerettet«, erklärte er in einem sehr ernsten Tonfall.
»Dieses Vieh?«
Johnny wurde blaß und riß den Mund auf. So hatte noch keiner gewagt über Nadine zu sprechen. Seine Freundin, die Wölfin, als Vieh zu bezeichnen, war eine Ungeheuerlichkeit. Das hatte noch niemand gewagt, und Johnny wurde ernstlich böse.
»Wenn du das noch einmal sagst, dann gehe ich nicht mit dir, und dann spiele ich auch nie, nie, nie mehr!«
Das Mädchen beobachtete Johnny genau. Wer die beiden aus der Ferne sah, hätte zwischen ihnen kaum einen Unterschied festgestellt. Beim Näherkommen jedoch waren die Unterschiede vorhanden. Nicht allein die, daß es sich um ein Mädchen und einen Jungen handelte, nein, auch die Gesichtsausdrücke unterschieden sich sehr.
Johnny war trotz seiner Erstauntheit noch sehr kindlich geblieben, während das Gesicht des Mädchens einen verschlagenen Ausdruck zeigte. Die Augen blickten lauernd, und der Mund war fest zusammengepreßt, so daß die Lippen kaum auffielen.
»Nimm das sofort zurück!« verlangte Johnny. Er nahm eine drohende Haltung ein und ballte die Hände.
»Was?«
»Das mit Nadine.«
»Willst du mich verhauen?«
»Wenn du das nicht zurücknimmst.«
Da lächelte Lydia plötzlich. »Gut«, sagte sie. »Ich nehme es zurück Ich wußte ja nicht, daß du so an der Wölfin hängst. Kann ich aber nicht verstehen, eine Wölfin…«
Johnny hatte sich wieder beruhigt. Zudem war er froh, daß Lydia dir Worte nicht so gemeint hatte, denn er sagte: »Soll ich dir mal etwas verraten?«
»Was denn?«
Johnny kam dicht an seine Freundin heran und brachte seinen Mund an ihr Ohr. »Du darfst es aber nicht weitersagen.«
»Ich verspreche es.«
»Nadine ist keine Wölfin, sondern in Wirklichkeit ein Mensch.«
Der kleine Johnny hatte damit gerechnet, daß Lydia vor Ehrfurcht staunen würde. Das tat sie nicht. Eher das Gegenteil war der Fall. Sie fing an zu lachen.
»Ein Mensch!« prustete sie los. »Ein Mensch, der aussieht wie ein Tier. Und dann auf vier Beinen. Das glaube ich dir nicht.«
Johnny zeigte sich erschreckt. Er atmete hastig ein, seine Augen wurden groß, denn damit hatte er nicht gerechnet. »Ein Mensch!« flüsterte er, »sie ist wirklich ein Mensch.«
»Ja, ja, ich glaube dir.«
Johnny schüttelte den Kopf. »Du mußt mal in ihre Augen sehen, dann kannst du es erkennen.«
»Das habe ich schon.«
»Und,«
»Laß uns gehen!« Abrupt drehte sich Lydia um. Sie wollte von diesem Thema nichts mehr wissen, und Johnny wunderte sich über die Reaktion seiner
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