Das Teufelslabyrinth
rufst du nicht auch noch die Polizei und sämtliche Krankenhäuser an, wenn du schon dabei bist?« Auf ihren zornigen Blick hin nahm er Teri an der Hand, setzte sich aufs Sofa und zog sie neben sich. »Hör mal, Teri. Der Bursche ist sechzehn«, wiederholte er. »Beinahe siebzehn. Da darf er seine Unabhängigkeit schon mal behaupten.«
»Nein, du verstehst nicht …«
Tom legte ihr zärtlich einen Finger an die Lippen, um ihre Einwände zu unterbinden. »Sein Vater ist vor nicht einmal zwei Jahren gestorben, und wir gehen schon seit fast sechs Monaten zusammen aus. Ryan muss glauben, dass ich seinen Vater ersetzen will. Ich denke, du solltest die Zügel ein bisschen lockerer lassen.«
Da fiel Teri wieder ihr Streit vom Morgen ein, und sie erkannte, dass Tom Recht hatte. Ryan hatte versucht, sich wie ein Erwachsener zu benehmen, als er sich einverstanden erklärte, mit ihnen zum Essen zu gehen, aber Lust hatte er absolut keine gehabt.
»Gib ihm ein wenig Zeit, Teri. Er muss sich auch nach seinen Wünschen richten dürfen, nicht nur nach deinen.«
Teri sah ihn mit einem flehenden Blick an. »Aber wo kann er denn sein?«
»Es ist Freitagabend«, meinte Tom und zuckte mit den Achseln. »Vielleicht sitzt er mit Freunden zusammen oder ist ins Kino gegangen.«
»Er hat aber versprochen, um halb sechs zu Hause zu sein«, beharrte Teri und schüttelte den Kopf. »Er hat kurz nach vier die Schule verlassen - er müsste schon lange zu Hause sein.«
Tom drückte ihr beruhigend die Hand. »Du kannst nicht erwarten, dass er immer das tut, was du willst. Irgendwann heute Nachmittag hat er vielleicht entschieden, dass er doch keine Lust hat, mit mir zum Essen zu gehen. Und das ist völlig in Ordnung. Du kannst nicht jedes Mal ausflippen, wenn er eine Stunde zu spät kommt, sonst landest du im Irrenhaus, noch ehe er auf dem College ist.« Er küsste sie auf die Wange, stand auf und zog sie sanft auf die Beine. »Nun komm schon. Wir gehen jetzt schick essen, und wenn wir wieder hier sind, kannst du ja ein Wörtchen mit ihm reden. Aber nur reden«, setzte er mit einem gespielt tadelnden Blick hinzu. »Keine Standpauke, einverstanden?«
Teri schüttelte nur wieder den Kopf. »Ich glaube, ich kann jetzt nicht mit dir essen gehen. Ich würde mir die ganze Zeit über entsetzliche Sorgen machen und …«
»Tut mir leid, aber das steht nicht zur Diskussion«, unterbrach Tom sie. »Wenn du zu Hause bleibst, wirst du ein hervorragendes Essen verpassen und überdies deine frisch manikürten Nägel abkauen.«
Teri versuchte einen finsteren Blick aufzusetzen, was ihr jedoch nicht recht gelingen wollte. »Ich werde aber nicht in der Lage sein, das Essen zu genießen oder deine Gesellschaft oder sonst irgendwas«, murrte sie.
»Alles ist besser, als hier herumzusitzen. Du wirst heute Abend vielleicht nicht vor Witz sprühen, aber was soll’s?
Leg ihm einfach einen Zettel hin, dass er dich am Handy anrufen soll, wenn er heimkommt. Und ich verspreche dir, dass ich dir nicht nur suchen helfe, wenn er bei unserer Rückkehr wider Erwarten nicht zu Hause sein sollte, sondern dir auch die halbe Sorgenlast abnehmen werde.«
Tom hatte ja Recht - natürlich hatte er Recht. Und wenn es nicht um dieses Dinner gegangen wäre - eine Verabredung, der Ryan nur höchst widerwillig zugestimmt hatte -, würde sie sich gar nicht so aufregen. Wahrscheinlich war nicht mehr passiert, als dass er seine Meinung geändert und nur deshalb nicht angerufen hatte, weil er vermeiden wollte, dass sie ihn schlussendlich doch noch zu diesem Essen überredete. Seufzend trug sie das Telefon in die Küche zurück, schrieb Ryan einen Zettel und heftete ihn an die Kühlschranktür, wo er ihn nicht übersehen konnte. Dann sah sie noch einmal auf ihrem Handy nach, ob sie eine Mitteilung erhalten hatte, vergewisserte sich, dass der Akku voll war, und steckte es in ihre Handtasche.
Nachdem sie ein paarmal tief durchgeatmet hatte, kehrte sie ins Wohnzimmer zurück. »Okay«, sagte sie. »Ich glaube, ich bin jetzt so weit.« Doch als sie eine Minute später in den Wagen stieg, wusste sie, dass dem keineswegs so war. Trotz Toms zuversichtlicher Worte war sie sicher, dass sie sich den ganzen Abend um Ryan Sorgen machen würde.
Ryan war etwas zugestoßen.
Das wusste sie - eine Mutter weiß so etwas einfach.
Caleb Stark ließ im Hausmeisterraum heißes Wasser in seinen Putzeimer laufen, gab Reinigungsmittel dazu, stellte ihn in den Putzwagen und schob diesen anschließend
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