Das Teufelsspiel
ein Stück Blei als Fragment eines Projektils).
Danach musste die Probe klassifiziert, also in eine Unterkategorie eingeteilt werden (die betreffende Blutgruppe war 0-positiv, das Projektil Kaliber 38). Diese Information konnte für die Polizei und Staatsanwaltschaft von Nutzen sein, sofern sich ein Bezug zu dem Verdächtigen herstellen ließ – sein Hemd wies einen Fleck dieser Blutgruppe auf, er besaß eine 38er –, wenngleich das noch kein schlüssiger Beweis war.
Am Ende aber wollte jeder forensische Wissenschaftler nur das eine: die Individualisierung der Spur – die eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten Stelle oder Person (die DNS vom Blutfleck des Hemds entsprach der des Opfers, das Projektil ließ sich zweifelsfrei der Waffe des Verdächtigen zuordnen).
Im Moment befanden Rhyme und die anderen sich bei ihren Ermittlungen noch auf der untersten Ebene dieser forensischen Pyramide. So hatten sie einen Teil der Probe zwar als Fasermaterial identifiziert, doch wurden in den Vereinigten Staaten jährlich mehr als eintausend unterschiedliche Fasern hergestellt und mit mehr als siebentausend verschiedenen Arten von Farbstoffen gefärbt. Dennoch ließ das Feld sich eingrenzen. Coopers Analyse ergab, dass die vom Täter verbreiteten Fasern pflanzlichen – und nicht etwa tierischen oder anorganischen – Ursprungs waren. Und sie waren dick.
»Ich tippe auf einen Baumwollstrick«, sagte Rhyme.
Cooper zog die Faserdatenbank zu Rate. »Ja, du hast Recht. Allerdings ohne spezifische Merkmale. Der Hersteller ist nicht ermittelbar.«
Eine der Faserproben war ungefärbt, aber die andere wies einen Fleck auf. Er war braun, und Cooper vermutete, es könnte sich um Blut handeln. Ein Phenolphthaleintest bestätigte seinen Verdacht.
»Vom Täter?«, mutmaßte Sellitto.
»Wer weiß?«, erwiderte Cooper und untersuchte die Probe genauer. »Jedenfalls eindeutig von einem Menschen. Angesichts der Knäuelbildung und der zerfransten Enden wurde ich annehmen, dass dieser Strick eine Garrotte ist. Ich sehe so etwas nicht zum ersten Mal. Vielleicht war dies die geplante Mordwaffe.«
Dann sollte der stumpfe Gegenstand das Opfer womöglich nur außer Gefecht setzen (es war eine schweißtreibende und blutige Angelegenheit, jemanden zu erschlagen). Der Täter hatte zwar eine Pistole, doch die machte zu viel Lärm, als dass er unbemerkt entkommen konnte. Eine Garrotte erschien keinesfalls abwegig.
Geneva seufzte. »Mr. Rhyme? Mein Test.«
»Test?«
»In der Schule.«
»Oh, sicher. Nur eine Minute … Ich möchte wissen, von welchem Insekt dieses Exoskelett herrührt.«
»Officer«, wandte Sachs sich an Pulaski.
»Ja, M… Detective?«
»Können Sie uns kurz behilflich sein?«
»Na klar.«
Cooper druckte ein Farbbild des Exoskelettteils aus und reichte es dem Neuling. Sachs ließ ihn vor einem der Computer Platz nehmen und stellte eine Verbindung zur Insektendatenbank her – das NYPD war eine der wenigen Polizeibehörden der Welt, die nicht nur über eine umfangreiche Insektenkartei, sondern sogar über einen eigenen forensischen Entomologen verfügten. Nach einer kurzen Pause füllte der Monitor sich mit unzähligen kleinen Abbildern von Insektenteilen.
»Mann, sind das viele. Wissen Sie, ich hab so was noch nie gemacht.« Er starrte angestrengt auf den Bildschirm.
Sachs verkniff sich ein Lächeln. »Ganz anders als bei CSI, was?
Scrollen Sie einfach langsam immer weiter und halten Sie nach einer Übereinstimmung Ausschau. ›Langsam‹ ist das Schlüsselwort.«
»Wenn bei der forensischen Analyse Fehler begangen werden, dann meistens aus übertriebener Eile«, sagte Rhyme.
»Das habe ich nicht gewusst.«
»Jetzt wissen Sie’s«, sagte Sachs.
… Sechs
»Schick diese weißen Klümpchen durch den Chromatographen«, befahl Rhyme. »Was, zum Teufel, ist das?«
Mel Cooper löste einige Proben von dem Klebeband ab und legte sie in die Kombination aus Gaschromatograph und Massenspektrometer ein. Es handelte sich um eines der meistgenutzten Geräte in jedem forensischen Labor, denn es war in der Lage, unbekannte Substanzen in ihre Bestandteile aufzuspalten und diese zu identifizieren. Die Bestimmung würde ungefähr fünfzehn Minuten dauern. In der Zwischenzeit setzte Cooper die Einzelteile des Projektils zusammen, die der Notarzt aus dem Bein der angeschossenen Passantin entfernt hatte. Sachs hatte am Standort des Schützen keine Patronenhülsen vorgefunden, also musste die Waffe ein Revolver gewesen
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