Das Teufelsspiel
eins achtzig großen Mann stammen zu können. Ich würde eher auf die Verkäuferin tippen, eine zierliche Frau oder ein halbwüchsiges Mädchen. Und ich sehe ein paar Schmierflecke. Ich schätze, der Täter hat seine Spuren abgewischt.«
Die von der menschlichen Haut hinterlassenen Öle und Rückstände ließen sich nur schwer gänzlich entfernen, aber das Verwischen war kein Problem.
»Schick alles, was da ist, an IAFIS.«
Cooper nahm Kopien der Abdrücke und scannte sie ein. Zehn Minuten später meldete das Integrierte Automatische Fingerabdruck-Identifizierungssystem des FBI sich zurück und teilte ihnen mit, dass die Abdrücke in keiner der großen Datenbanken auftauchten, weder auf Stadt- noch auf Staats- oder Bundesebene. Daraufhin sandte Cooper die Scans an einige der örtlichen Karteien, die nicht zum Verbund des FBI gehörten.
»Jetzt die Schuhe«, ordnete Rhyme an.
Sachs legte die elektrostatischen Abdrücke der Fußspuren vor. Das Sohlenprofil war abgenutzt, die Schuhe demnach alt.
»Größe elf«, sagte Cooper.
Zwischen Schuhgröße, Knochenbau und Körpergröße bestand ein loser Zusammenhang, der vor Gericht allenfalls einen dürftigen Indizienbeweis darstellte. Für ihre Zwecke konnten sie aber davon ausgehen, dass Geneva die ungefähre Größe des Mannes vermutlich korrekt eingeschätzt hatte.
»Kannst du uns was zum Hersteller sagen?«
Cooper ließ den Abdruck durch die entsprechende Datenbank der Behörde laufen und hatte Erfolg. »Es sind Halbschuhe der Marke Bass. Mindestens drei Jahre alt, denn seitdem wird dieses Modell nicht mehr hergestellt.«
»Die Abnutzung des Profils verrät uns, dass sein rechter Fuß leicht nach außen gedreht ist«, sagte Rhyme. »Es gibt aber weder ein wahrnehmbares Hinken noch entzündete Fußballen, eingewachsene Nägel oder andere malades des pieds.«
»Ich wusste ja gar nicht, dass du Französisch sprichst, Lincoln«, sagte Cooper.
»Was geben die Partikel her?«
Cooper brütete über den kleinen Plastiktüten, in denen Amelia alles das verstaut hatte, was an ihrem Kleberoller haften geblieben war. Diese Roller, die in privaten Haushalten zur Entfernung von Fusseln und Tierhaaren genutzt wurden, hatten die tragbaren Staubsauger in ihrer Funktion abgelöst, Fasern, Haare und Krümel zu sichern.
Der Techniker hatte sich eine Lupenbrille aufgesetzt und benutzte eine dünne Pinzette, um Material auf einen Objektträger zu praktizieren. Diesen legte er unter das Mikroskop und stellte die Vergrößerung und Schärfe ein. Die anderen konnten seine Arbeit auf mehreren Flachbildschirmen verfolgen. Rhyme wandte sich einem der Monitore zu und begutachtete die Probe gründlich. Er entdeckte Staubteilchen, mehrere Fasern, weiße bauschige Objekte und etwas, das wie winzige bernsteinfarbene Schalen aussah und von Insekten stammte – Exoskelette. Als Cooper den Objektträger ein Stück verschob, kamen einige kleine Knäuel in Sicht, die aus einem porösen, gebrochen weißen Fasermaterial bestanden.
»Wo wurden diese Proben genommen?«
Sachs überprüfte die zugehörigen Etiketten. »An zwei Stellen: in der Nähe des Tisches, an dem Geneva gesessen hat, und hinter dem Müllcontainer, von wo aus Barry erschossen wurde.«
Partikel, die an einer öffentlich zugänglichen Stelle gesichert wurden, waren häufig nutzlos, denn es konnten sich viel zu leicht Spuren unbeteiligter Dritter darunter mischen. Falls man jedoch an zwei verschiedenen Aufenthaltsorten eines Täters auf gleichartige Partikel stieß, stammten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit von ihm.
»Danke, o Herr«, murmelte Rhyme, »dass du so weise warst, Schuhe mit tiefem Profil zu erschaffen.«
Sachs und Thom sahen einander an.
»Wundert ihr euch über meine gute Laune?«, fragte Rhyme, ohne den Monitor aus den Augen zu lassen. »War das der Grund für den Seitenblick? Wisst ihr, ich kann durchaus auch mal fröhlich sein.«
»Alle Jubeljahre vielleicht«, murrte der Betreuer.
»Schon wieder eine abgedroschene Phrase, Lon. Hast du sie mitbekommen? Jetzt aber zurück zu den Partikeln. Wir wissen, dass unser Täter der Verursacher ist. Was ist das für ein Zeug? Und kann es uns zu seinem Versteck führen?«
Bei der Analyse von Beweismaterial stellte sich den forensischen Wissenschaftlern eine gestaffelte Aufgabe. Der erste – und meistens einfachste – Schritt bestand darin, eine Substanz zu identifizieren (indem man beispielsweise einen braunen Fleck als menschliches oder tierisches Blut erkannte oder
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