Das Teufelsweib
Perpignac wollte sie mit einer Kavalierslüge decken. Warum tut Manon das?
Der Wagen rollte durch den Bois de Boulogne. Die Pferde schnaubten, die Fahrt gefiel ihnen selbst auch.
Dubois blickte auf. »Zu Tissier«, sagte er zum Kutscher. »Champs-Elysées. Nahe am Etoile.« Und er dachte: Sie hat gesagt, Tissier habe einen neuen Witz erzählt. Wenn auch er nichts davon weiß, muß ich sie fragen, wo sie war … Oder nein, ich werde mit ihr nach dem Süden fahren, weg von Paris, heute noch, mit dem Nachtzug, nach Monte Carlo zunächst, wo sie keinen kennt und wo ich sie immer um mich habe … Sie soll alles haben, was sie will, nur in meiner Nähe muß sie sein, weil ich sie liebe …
Die Kutsche ließ den Bois hinter sich und fuhr auf den breiten Boulevards nach Paris hinein. Große moderne Autos überholten sie laut hupend, Omnibusse drängten sie an den Straßenrand, aber unbeirrt fuhr sie ihren Weg, sie gehörte zum Stadtbild von Paris.
Ein wenig Romantik inmitten von Technik und Hetzerei.
Ein bißchen Gemächlichkeit inmitten von Lärm und hektischem Getriebe.
Mit geschlossenen Augen saß Dubois im Wagen und fühlte, wie sich sein Herz zusammenkrampfte.
Sie hat mich belogen. Manon, die ich groß machte, hat mich belogen. Trotzdem werde ich ihr nichts sagen. Doch die Augen werde ich offenhalten. Ich werde um sie kämpfen, ja, das werde ich, denn sie ist die Schönheit, die mich an dieses Leben fesselt. Ohne sie wäre es schal, und ich würde es wegwerfen …
Manon, warum hast du mich belogen?
Warum hast du das getan, Manon?
5
Als René Perpignac auf dem Boulevard Hausmann vor dem Kunstladen Tengiers' anlangte, stand sein Plan schon fest, und er betrat, seiner Sache sicher, die weiten Räume des Salons.
Tengier, ein Fünfziger mit grauen Haaren und einer großen Goldbrille, trat sofort hinter einer Samtportiere hervor, verbeugte sich und betrachtete den Kunden mit taxierenden Blicken.
Perpignac nickte ihm zu. Er ließ seine Blicke über die Kunstschätze schweifen und schüttelte dann den Kopf.
»Was ich suche, ist nicht da«, sagte er. Es klang wie ehrliches Bedauern. »Ich suche ein Gemälde von Marcel Putois, einen Frauenakt mit einem roten Schleier um den Kopf. Ein Freund von mir empfahl mir das Bild.«
Das Gesicht Tengiers wurde zur undurchdringlichen Maske. Er hob bedauernd die Hände und putzte sich dann umständlich mit einem kleinen Lederläppchen die Brille.
»Das Bild wurde gestern schon abgeholt. Es war eine Einzelstudie Putois', auf Bestellung.«
»Soso!« Perpignac legte ohne Umschweife auf die gläserne Ladentheke fünf Tausend-Franc-Scheine. Ein kurzer Blick Tengiers streifte das Geld, dann schaute der Händler auf den Buddha neben sich, als habe er nichts bemerkt. Seine Brille putzte er noch immer.
»Sie wollen etwas erwerben?« fragte er.
»Eigentlich nicht. Ich will von Ihnen nur den Namen der Dame mit dem roten Schleier erfahren.«
»Dann fragen Sie doch Putois.«
»Der weiß ihn auch nicht.«
»Aha!« Tengier nickte und schob die 5.000 Franc in die klingende Ladenkasse. Gewonnen! jubelte es in Perpignac. Er nimmt das Geld, also wird er sprechen. »Doch ich muß sie enttäuschen«, fuhr der Kunsthändler fort. »Auch mir ist der Name der Dame unbekannt. Sie ist eine Göttin, aber ich kenne ihren Namen nicht. Ich nenne sie einfach Anadyomene.«
»Damit ist mir nicht geholfen.«
»Das glaube ich.«
»Wer hat das Bild denn abgeholt?« versuchte Perpignac einen anderen Weg. Tengier setzte endlich seine Brille auf und lächelte zweideutig.
»Wie Sie sagten: Ihr Freund.«
René biß sich auf die Lippen. Er wollte aufbrausen, doch er beherrschte sich.
»Bester Tengier«, sagte er. »Wir beide wissen jetzt, was los ist. Sie sind ein Gauner, das habe ich in den ersten Minuten schon gemerkt, aber ich bin auch nicht von der Sorte, mit der man Schlitten fahren kann. Kurz heraus, ich brauche den Namen des Mannes, der das Bild bestellte.«
Tengier hob die Schulter.
»Ich kenne ihn auch nicht. Er kam eines Tages zu mir und sagte: ›Tengier, es wird in ein paar Tagen der Maler Putois bei Ihnen auftauchen und ein Gemälde abgeben. Bezahlen Sie ihm dafür 15.000 Franc. Ich komme das Bild dann am Abend abholen. Als Provision erhalten Sie 2.000 Franc.‹ Und damit legte er mir 17.000 Franc auf den Tisch und ging. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Es kam dann alles, wie angekündigt. Putois erhielt sein Geld, der Fremde holte sein Bild … das ist alles.«
»So. – Und wie sah er
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