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Das Teufelsweib

Das Teufelsweib

Titel: Das Teufelsweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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malen.
    Unter seinen Händen bekam die nackte Gestalt den letzten Glanz. Vor einem dunklen, samtenen Faltenvorhang, der schwer zur Erde fiel, schien der weiße Körper fast zu schweben.
    Als die Sterne verblaßten und der Morgendämmerung Platz machten, schloß Putois müde die Augen und ließ die Palette fallen. Mit dem Gesicht nach unten legte er sich auf die Couch und schlief augenblicklich ein.
    Die ersten Strahlen der Frühlingssonne spielten über das Bild. Der Körper leuchtete, warf das Licht zurück.
    Eine Venus, aus dem Licht geboren …

4
    Es war zwei Wochen später. Der 6. April 1975 war ein schöner, heller, sonniger Tag, an dem die Pariser nach den langen Regenwochen aufatmeten und hinaus in den Bois de Boulogne strömten, um den grünen Rasen zwischen den Bäumen mit Butterbrotpapieren und leeren Blechbüchsen zu verunzieren.
    Auch Marcel Putois nützte den seltenen Sonnentag und wanderte über die breiten Wege, einen Zeichenblock unter dem Arm, ohne den er nie ausging, weil die Welt so voller Motive steckte, daß es schade gewesen wäre, wenn er auch nur eines nicht beachtet hätte.
    Neben Putois ging René Perpignac, der Journalist der ›Epoche de France‹, bekannt durch seine Interviews und seine bissigen Kritiken über die Uraufführungen junger Bühnenautoren. Außerdem hatte er ein Buch geschrieben über das Leben der Midinetten, der kleinen Nähmädchen von Paris, was ihm den Ruf einbrachte, sich besser in deren Welt auszukennen als in jener gehobener Kreise. Wie dem auch sei – René Perpignac ging groß und schlaksig neben Marcel Putois durch den Bois de Boulogne und entwickelte einen Plan über ein neues Buch, welches das Leben der Mata Hari schildern sollte.
    »Sie soll eine Frau sein, deren Geheimnis gelüftet wird«, sagte René Perpignac. »Das Rätsel um die berühmteste Spionin der Welt will ich lösen.«
    Marcel Putois winkte ab. »Ich wüßte etwas Besseres, was du lösen könntest. Auch ein Rätsel, eines, das alle Wonnen und alle Schmerzen dieses Lebens umfaßt. Hier –«, er schlug den Zeichenblock auf und zeigte Perpignac die Rohskizze des Aktes, die er an jenem ersten Abend angefertigt hatte. »Sieh dir das an!«
    »Ein Wunder!« sagte Perpignac hingerissen. »Wer ist sie?«
    »Das ist es ja gerade!« Marcel setzte sich auf eine freie Bank unter einer breitkronigen Eiche. »Am 23. März kam sie plötzlich in Begleitung eines übereleganten Herrn zu mir. Abends, gegen 20.30 Uhr. Ich sollte einen Akt von ihr malen. Sie stand mir sofort Modell – so, wie du sie hier siehst, in einmaliger, göttlicher Nacktheit – das Gesicht dicht verschleiert. Stumm, ohne zu sprechen, ohne ihren Namen zu nennen, selbst dann nicht, als ich sie acht Tage später in meine Arme nahm und das Malen vergaß …«
    Perpignac pfiff durch die Zähne und sah sich die Skizze noch einmal an.
    »Und der Mann?« fragte er.
    »Er kam insgesamt nur dreimal mit. Ansonsten erschien sie allein, ging allein, es waren Stunden, die unbeschreiblich sind. Aber sie blieb stumm, verschleiert … und ich wagte nicht, den Schleier zu lüften, weil ich wußte, daß sie dann nie wieder gekommen wäre. Ja, ich hatte Angst, sie zu verlieren.«
    »Und jetzt?«
    Marcel Putois ließ den Kopf auf die Brust sinken. »Das Bild ist fertig. Ich habe es zu Tengier bringen müssen. Und ich bekam dafür – wie abgemacht – 15.000 Franc. Dann habe ich gewartet, habe gebetet, daß sie kommt. Aber sie blieb aus … Das Bild ist fertig, und sie verschwindet wieder, wie sie kam, stumm, verschleiert, unbekannt … Eine Frau, die ich liebe und nie vergessen kann … Perpignac, wenn du einen Roman schreibst, so schreib ihn darüber. Schreib ein Buch über die Dame mit dem roten Schleier, hilf mir damit, sie zu finden. Ich kann nicht mehr malen, wenn ich sie nicht wiedersehe.«
    René Perpignac sah die Skizze lange an und versank in Nachdenken. Er blickte erst auf, als ein Mann mit einer langen Nase und einem großen Buckel langsam in einer Pferdedroschke an ihnen vorbeifuhr, den Kutscher aber dann anhalten ließ und sich umwandte.
    »Hallo, Monsieur Perpignac«, rief er.
    Der Journalist zog den Hut und ging zu der Kutsche.
    »Oh, guten Tag, Monsieur Dubois«, sagte er höflich. »Sie fahren ein wenig spazieren? Nicht mit dem Rolls-Royce?«
    »So ist es«, antwortete Dubois und musterte Perpignac. »Man genießt die Sonne besser. Draußen bei mir ist es immer feucht und kühl. Auch für Manon ist das unangenehm. Wie gut, daß Ihr lustiger

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