Das Teufelsweib
Dubois den Schuldschein über 10.000 Franc ein.
»Ich erhöhe um 10.000 Franc auf 20.000!« sagte Santerres und trank sein Glas in einem Zug aus. Er hörte hinter sich die Leute murmeln, spürte ihre konsternierten Blicke und mußte lachen. Sie denken, ich bin verrückt, aber ich bin nie so klar gewesen. Ich werde nicht mein Vermögen verspielen – o nein –, ich verspiele die Erinnerung an sie, an Manon, an dieses Aas, dieses Biest, diese Bestie … ich verspiele sie!
Ein Gedanke jagte plötzlich durch seinen Kopf. Er sah Dubois an und hob die Hand.
»Ein Vorschlag, Monsieur Dubois. Ich habe nach hier nicht genug Geld mitgebracht. Deshalb möchte ich meine Pariser Wohnung zum Einsatz bringen. Sie hat einen Schätzwert von 250.000 Franc. Halten Sie in bar dagegen?«
Dubois schwieg einen Augenblick. Der Mann ist betrunken, dachte er. Er weiß nicht mehr, was er sagt und tut. Ich darf nicht drauf eingehen. Und doch werde ich es tun. Irgend etwas zwingt mich dazu, ich weiß nicht, was. Vielleicht gebe ich ihm, wenn ich gewinne, die Wohnung zurück. Aber wenn er gewinnt, was dann? Das Spielfieber überkam ihn und wischte alle Fragen weg.
Er mischte die Karten und teilte aus. Santerres nahm seine Blätter auf. Sie waren gut … Eine würgende Angst überkam ihn. Wenn ich nun gewinne, dachte er. Das darf ich nicht, ich muß bluffen – aber er ängstigte sich unnötig. Dubois sah ihn von unten her an.
»Wollen wir das Spiel nicht lieber auslassen?« fragte er ernst.
Für Santerres gab es kein Zurück mehr. »Legen Sie hin«, stieß er hervor. Er sah, daß Dubois' Karte die bessere war und legte aufatmend seine Blätter daneben. Dann erhob er sich, verbeugte sich vor Dubois, übergab ihm die Schlüssel seiner Pariser Wohnung und verließ den kleinen Saal.
Stumm blickten ihm die anderen Gäste nach. Dann steckten sie die Köpfe zusammen und tuschelten über die Spielkasino-Sensation, die sie erlebt hatten. Ein Selbstmord durch Erschießen schien ihnen in der Luft zu liegen.
Und man war anderntags enttäuscht, als man erfuhr, daß Charles de Santerres schon früh am Morgen gesund nach Genua abgereist war.
Nur Dubois war froh, daß nichts passiert war. Er lag in dem Garten der gemieteten Villa in seinem Liegestuhl, während Manon zur Abwechslung als Diana mit Pfeil und Bogen auf große Scheiben schoß.
Er hat es nicht umsonst getan, grübelte Dubois. Er muß einen Grund gehabt haben, seine Pariser Wohnung zu verspielen. Wollte er sie nicht mehr sehen? Warum wohl? Barg sie ein Geheimnis?
Tausend Gedanken wirbelten Dubois durch den Kopf. Und sein Instinkt rührte sich. Ich muß nach Paris, sagte er sich. Ich muß nach Paris und die Wohnung Charles de Santerres' sehen. Umsonst verspielt ein Mann nicht ein solches Objekt mit einer einzigen Pokerkarte …
Er blickte zu Manon hinüber, die in kurzen, weißen Shorts ihrem Sport frönte. Wie immer bot sie einen Anblick, der ihn fesselte. Ich muß sie zwei Tage allein lassen, dachte er, anders geht's nicht.
Er stand auf, ging in die Villa und bestellte per Telefon eine Fahrkarte nach Paris. Für heute abend. Mit dem Expreß. Fliegen war ihm zuwider.
Es war der 10. Mai 1975. Dubois trug das Datum und die Fahrt in sein Notizbuch ein.
Ein unbestimmtes Gefühl trieb ihn zur Eile an.
8
Die Abwesenheit seines Herrn benutzte Marco, um in dem alten, dunklen Haus an der Seine von Grund auf saubermachen zu lassen. Er hatte drei Putzfrauen engagiert und kam sich wie ein kleiner König vor, wenn er in dem weiten Gebäude mit lauter Stimme über Treppen und Flure hinweg seine Anweisungen gab. Zum erstenmal seit Jahren wurden Zimmer aufgeschlossen und betreten, die bisher in einem Seitenflügel in tiefem Schlaf gelegen waren und in denen der Staub überall zentimeterdick lag. Die schweren Portieren wurden zurückgezogen, Luft und Sonne hereingelassen. Die Polstermöbel wurden in den Garten hinausgetragen und in der Sonne geklopft, die Teppiche mit einem starken Staubsauger bearbeitet und mit einer weichen Teppichbürste gefegt; die schweren Renaissance- und Barockmöbel wurden gesäubert, und der seit Jahren nicht mehr geschnittenen Taxushecke nahm sich Marco persönlich mit der Gartenschere an, so daß sie sich endlich wieder einmal in eine schöne und gepflegte Einfriedung verwandelte.
Eine innere Abneigung hielt den Diener davon ab, auch die Räume der gnädigen Frau zu betreten. Wenn die Putzfrauen in ihnen wirkten und die Gebilde aus Seide und Taft, aus Spitzen und Satin
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