Das Teufelsweib
stellen. Und wie leicht ist das! Ein kleines Lächeln, ein verführerischer Blick unter den Wimpern hervor, ein Wiegen der Hüften, und die Männer fallen einer Frau zu Füßen. Es gäbe weniger Sünden auf der Welt, wenn die Männer etwas vernünftiger wären. Aber sie sind alle dumm und nur Wachs in den Händen einer Frau, die es versteht, sie sich um den Finger zu wickeln.«
»Sonntag. – Soeben komme ich von Charles. Er fängt an, langweilig zu werden. Außerdem scheint er eifersüchtig zu sein und spricht vom Heiraten. Ich habe ihn ausgelacht und ihm gesagt: ›Heiraten? Nie wieder! Erst einen widerlichen Krüppel und dann einen degenerierten Grafen, der mir auf die Nerven geht.‹ Da wurde er traurig und flehte mich an, mit ihm nach Spanien zu gehen. – Es wird Zeit, daß ich mich von ihm trenne. Sein Diener Pierre ist ein so reizvoller starker Mann – ich habe ihn gestern beobachtet, wie er im Garten die Blumen schnitt. Die Muskeln seiner entblößten Arme spielten in der Sonne. Ich habe mir gewünscht, in diesen starken Armen zu liegen. Und die Wünsche der Manon Dubois gingen bisher immer in Erfüllung. Man muß Wünschen nur nachhelfen. Pierre hat allerdings den Fehler, Diener zu sein. Ich hasse Diener, seit ich Marco, diese Kreatur Dubois', kennengelernt habe. Wenn sein Pockengesicht auftaucht, dreht sich mir der Magen um. Er ist Dubois ergeben wie ein Hund – ich glaube, ich müßte erst ihn töten, ehe ich Dubois ermorden könnte …«
Marcos Hand, die das Blatt hält, beginnt zu zittern. Dann rafft er kopflos den ganzen Stapel zusammen, steckt ihn wieder in die Marokkoledertasche, eilt mit ihr hinunter in den Keller und wirft sie in die Ölfeuerung. Er ist nicht mehr in der Lage zu überblicken, ob das, was er tut, richtig ist.
Ich darf Dubois nicht mehr aus den Augen lassen, denkt Marco, während er den Keller wieder verläßt und sich zu den Putzfrauen begibt, die im Garten die Polstermöbel klopfen und sich schnatternd dabei unterhalten. Ich muß die beiden immer im Auge behalten – Dubois und seine Frau! Sie darf nie mehr mit ihm allein sein.
Und was ich tun kann, um sie zu vernichten, das werde ich tun. Dubois braucht meinen Schutz. Ich bin es ihm schuldig.
Ich fahre, wenn der Hausputz fertig ist, nach Monte Carlo. Ich werde einfach da sein, und Dubois wird mich nicht lange fragen, warum. Er wird es meiner Treue zuschreiben. Aber sie, sie wird den Tag verfluchen, an dem ich sie stellen werde, an dem sie durch meine Hand erfahren wird, was eine Strafe Gottes ist.
Marco treibt die Putzfrauen an, weniger zu schnattern und rascher zu arbeiten.
Noch zwei Tage, denkt er. Dann bin ich in Monte Carlo …
Bei Dubois.
Wie ahnungslos ist doch dieser arme Mann!
Wie hilflos!
Und Marco fühlt plötzlich wieder einmal, wie sehr er seinen Herrn liebt.
9
Manon begleitete Dubois zum Zug und stand auf dem Bahnsteig, als der Expreß nach Paris auslief. Aufgekratzt winkte sie Dubois nach, der seine große Glatze aus dem Fenster streckte und lange nach Manon schaute, als gelte es, Abschied für immer zu nehmen.
Dort steht sie und winkt, dachte er. Und sie lacht sogar. Ob sie sich freut, daß ich wegfahre, oder ob sie an den Schmuck denkt, den ich ihr aus Paris mitbringen will? Es kann beides sein … Er fühlte, wie der Zweifel an ihm nagte, schloß das Fenster und ließ sich in die Polster fallen. Einmal ein Mensch wie andere zu sein, wünschte er sich. Einmal groß, schön und anziehend zu sein, den Frauen gefallen, Manon lieben und sich so bewegen zu können, wie Glücklichere um ihn herum. Und plötzlich begann er, die Welt und alle Menschen abgrundtief zu hassen, mit jenem eruptiven Haß, den sein freudloses Dasein in langen Jahren aufgespeichert hatte. Sie sind normal, dachte er böse, aber ich habe in meinem schrecklichen, häßlichen Körper wenigstens eine Begabung, die mich höher trägt als die anderen. Ich bin der reichste Mann von Paris, ich habe sie in der Hand, alle, wenn ich nur mein Geld einsetze. Die schönste Frau habe ich mir aus der Gosse aufgelesen und gekauft. Und ich werde auch euch noch kaufen, wartet nur!
Der Zug ratterte durch die Nacht, Paris entgegen. Schwarz flog die Landschaft Südfrankreichs vorbei. Donnernd überquerte der Zug Flüsse und wand sich mit seinen Lichtern wie eine glühende Schlange durch die dunkle Provence.
Dubois saß mit geschlossenen Augen da und grübelte. Warum fahre ich eigentlich nach Paris? Um die Wohnung, die ich von diesem Comte de Santerres
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