Das Teufelsweib
entfernte sich und zog die Tür hinter sich zu. Dubois war allein in dem weiten, dunklen Raum, den nur der rund umgrenzte Schein der Tischlampe teilweise aufhellte.
Nach kurzem Zögern holte Dubois aus dem Schreibtischfach das Tagebuch hervor und trug mit seiner schnellen Handschrift ein:
›Morgen Abfahrt mit Manon nach Monte Carlo und Nizza. Ob ein neues, ein glücklicheres Leben für mich beginnt? Manon hat mich belogen, das weiß ich jetzt. Aber noch weiß ich nicht, warum sie es tat und wo sie wirklich war, wenn sie sagte, da oder dort gewesen zu sein. Ich werde ihr in Monte Carlo jeden Wunsch erfüllen, sie soll alles haben, was sie will – die schönste und gefeiertste Frau soll sie sein. Ob sie dann ehrlicher zu mir ist? Ob ich ihr Herz erobern kann, wenn ich ihr die Welt, die sie so sehr liebt, zu Füßen lege? Ich will es versuchen, ich will sie vergessen lassen, daß ich nur ein Krüppel bin … Denn was ich nie sagen würde, das vertraue ich diesen Blättern an, die man nie lesen wird, auch nicht nach meinem Tode: Manon ist für mich die Schönheit des Lebens, das mich mit Häßlichkeit strafte. Sie ist meine Ergänzung, meine Sehnsucht, mein alles. Und ich will ein Sklave ihrer Launen sein, wenn ich nur einen Kuß ihrer Lippen auf meinen Lippen spüre … Morgen fahren wir nach Monte … Wir fahren in ein neues Leben …‹
Schnell steckte er das Buch weg, denn draußen klappte eine Tür. Ein leichter Schritt war zu vernehmen. Kühle wehte ins Zimmer, als Manon in die Bibliothek trat.
»Liebster«, sagte sie freundlich und küßte den Krüppel auf den mißgebildeten Schädel. »Alles vorbereitet? Wir fahren wirklich morgen früh?«
»Ja, Manon. Du freust dich?« Dubois' Augen glänzten.
»Sehr, mein Lieber.« Manon sah sich um und bemerkte, daß die Tür zum Garten nicht verschlossen war. Das genügte ihr. »Ich gehe nebenan in den Salon und höre noch etwas Radio. Wenn du mit deiner Arbeit fertig bist, kommst du auch hinüber, ja? Wir wollen noch eine schöne Flasche Haute Sauterne trinken, ehe wir das Haus verlassen und in die Fremde ziehen …« Sie lachte, wie Frauen, die glücklich sind, lachen, und ging zur Tür. »Bis gleich, mein Liebster«, sagte sie zärtlich und ging hinaus.
Dubois blickte selig hinter ihr her. Bald drang aus dem Salon Radiomusik. Eine amerikanische Jazzband spielte die neuesten Rhythmen. In den kurzen Pausen hörte man Manon trällern.
»Sie ist glücklich«, sagte Dubois zu sich selbst. Er war es auch. »Sie freut sich auf Monte Carlo. Es ist herrlich, einen geliebten Menschen eine Freude zu machen …«
Mit doppeltem Eifer wandte er sich seinen Schriftsachen zu und beeilte sich, schnell damit fertig zu werden, um mit Manon die Flasche Wein, die sie sich noch gewünscht hatte, zu trinken.
Über eine Stunde wartete Manon in dem Salon. Ab und zu sah sie auf die goldene Armbanduhr, wanderte ungeduldig auf und ab, lauschte zwischendurch an der Wand, ob sich im Nebenzimmer noch etwas regte und lief wieder hin und her wie ein gefangenes Tier in seinem Käfig. Sie vergaß aber dabei nicht, immer wieder zu trällern.
Als es ein Uhr morgens war, zuckte sie mit den Schultern, stellte den Radioapparat ab und knipste das Licht im Salon aus.
»Feigling«, sagte sie verächtlich und stieg die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer. Dort drehte sie wieder zweimal den Schlüssel im Schloß herum und warf sich auf das breite Bett.
Er ist nicht gekommen, sagte sie sich grenzenlos enttäuscht. Und Dubois lebt weiter! Und ich an seiner Seite! Aber es gibt noch einen Weg, von ihm loszukommen. Santerres ist zu feige, Pierre und Putois sind es auch! Sie alle wollen Liebe ohne Einsatz …
Wütend warf sie sich auf die andere Seite.
Mit Dubios in Monte Carlo – ein Märchen an der Seite eines Monstrums … dachte sie angewidert. Ich muß ihn selbst töten, um frei zu sein. Ich selbst!
Sie hämmerte es sich so lange ein, bis sie mit der Tat ganz und gar im reinen war.
Als sie den Schritt Dubois' auf der Treppe vernahm, löschte sie das Licht und lauschte. Sie hörte, wie er vor ihrer Tür wieder anhielt, aber dann weiterschlurfte zu seinem Zimmer.
7
Über Monte Carlo stand eine heiße Sonne und strahlte hernieder auf den Säulen- und Kuppelbau des Kasinos zwischen Palmen und Zypressen; über die Bänke an der breiten Promenade hatte man bunte Sonnendächer gezogen, und das weiße Schloß des Fürsten von Monaco blinkte durch den weiten Park. Es waren an diesem Vormittag des 9. Mai nur
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