Das Teufelsweib
wenige Menschen auf der Promenade oder in den Gärten der Hotels und zahlreichen Cafés zu sehen. Die Hitze trieb die meisten Gäste in die drei luxuriösen Bäder und Schwimmbassins, deren alkoholfreie Bars und Tanztees bis nach Genua und Nizza berühmt sind.
In einer kleinen weißen Villa am Rande der Stadt lag im weiten Park in einem weißen Liegestuhl Manon Dubois und bräunte sich in der Sonne. Ihre Haut glänzte ölig. Die Träger des Badeanzuges hatte sie heruntergelassen, und die festen Brüste drückten sich durch den leichten Stoff, als seien sie unverhüllt. Mit geschlossenen Augen lag sie da und dachte an Charles de Santerres, der sie jetzt in Paris vergaß und sicher bei anderen Frauen Trost suchte. Das machte sie wütend, das beleidigte sie, aber sie wußte, daß es sinnlos war, sich darüber zu ärgern. Erlebnisse soll man genießen und sie dann vergessen, höchstens einmal in einer stillen Stunde sie sich wieder ins Gedächtnis zurückrufen wie einen guten Film oder ein Theaterstück. Was ist denn schon das Leben? Eine Sammlung von Eindrücken, die mehr oder weniger tief gehen und am Ende doch nur verblassende Erinnerung sind.
Vor ihr, zu ihren Füßen, mit den Augen an ihrer Figur hängend, saß Dubois. Seinen Buckel verbarg einigermaßen ein meisterhaft geschnittener weißer Seidenanzug. Auf seiner langen Nase saß eine große Sonnenbrille, während seine kleinen Füße in weißen Tennisschuhen steckten und immer wieder unruhig über den Boden scharrten. Er saß so schon seit einer Stunde, kein Auge von Manon lassend, ihren braunen Körper bestaunend, als sei er ein Weltwunder. Doch er kämpfte immer noch mit der Tatsache, daß sie ihn belogen hatte, daß sie ein Geheimnis mit sich herumtrug, nach dem er sie nicht zu fragen wagte: Warum hast du das getan, Manon? Er war mit ihr nach Monte Carlo gereist, sie hatten Nacht für Nacht im Casino gesessen, gespielt, verloren und gewonnen, hatten die großen Bälle besucht, den Frühlingskorso, das Blumenfest, den Ball der Frühlingsnacht – und man hatte Manon bewundert und ihn, den Krüppel, den häßlichen Dubois, um eine solche Frau beneidet.
Um seine Frau. Er machte eine Grimasse. Es war eine bittere Grimasse, die seine Züge verzerrte. Nur anschauen durfte er sie, wie man ein Wunder bestaunt, das Gott auf diese Erde gesetzt hat, anschauen und ihr höchstens einmal die Hand küssen. Und dann lächelte sie, band ihm den roten Schleier um den kurzen Hals und sagte: »Mon chérie, du bist so gut zu mir …« Schon das allein machte ihn selig, dieser Satz … Sie war glücklich – warum sollte er es nicht auch sein …?
Manon war aber etwas ganz anderes. Sie dachte zornig an Santerres. Er wird mir untreu sein. Pah, was macht das! Ich bin es ihm auch! Gestern erst, mit dem flotten Pietro Salerni, dem Geschäftsführer des Casinos. Wie er küssen konnte! Und wie stark sein Arm war, als er mich umfaßte und an sich drückte. Drunten, im Palmenhain, geschah es, und die Musik drang aus dem großen Saal in den Park. Es war eine Märchennacht, in der wir uns, da der Rasen zu feucht gewesen wäre, stehend liebten und die Welt vergaßen. Und der Dummkopf Dubois saß unterdessen am Roulette und gewann 500.000 Franc, eine Summe, die er wenige Stunden später hinlegte, um mir ein prachtvolles Perlenkollier zu kaufen. Nicht schlecht …
Manon mußte lächeln.
Und morgen würde sie Paul Renoire treffen, den Freund von Charles … Welch eine Genugtuung, den untreuen Geliebten mit seinem besten Freund zu betrügen! O warte, Charles, wenn du in Paris andere Frauen küßt, werde ich dir das hier heimzahlen!
In Erwartung neuer Wollustfreuden dehnte sich Manon in der heißen Sonne. Dabei rutschte ein Träger des Badeanzuges von der Schulter und gab eine Brust frei. Dubois hielt den Atem an. Wenn ich sie nur einmal küssen dürfte, dachte er erregt, nur einmal! Und wie sie lächelt … sie ist glücklich …
Das genügte ihm wieder einmal, und er erfreute sich an ihrer Schönheit.
Lang streckte sich Manon auf ihrem Liegestuhl aus und schlug dann blinzelnd die Augen auf. Als sie sah, wie Dubois sie mit den Augen verschlang, streifte sie den Träger hoch und setzte sich auf.
»Habe ich geschlafen?« fragte sie unschuldig. Er nickte.
»Du bist schön«, sagte er leise.
»Gott sei Dank!« Sie zeigte ihm ihre weißen Zähne und erhob sich lachend ganz. Ihre langen schönen Beine waren nun der Blickfang, der sich ihm in erster Linie bot. Ein betörender Duft strömte
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