Das Teufelsweib
und viele andere am Wege stehen und fluchen, weil sie Ihr Leben sinnlos machte. Doch noch sind Sie blind, McJohn, blind durch ihre Schönheit. Es gibt nichts Schmerzlicheres, als aus dieser Blindheit sehend zu erwachen …«
Dubois wandte sich ab und sah McJohn nicht mehr an.
»Und jetzt raus mit Ihnen!« sagte er brüsk. »Ich will Sie hier erst wieder sehen, wenn Sie zerbrochen über diese Schwelle wanken.«
Nachdem sich McJohn entfernt hatte, stützte Dubois den Kopf in beide Hände. Er blickte erst wieder auf, als Marco eintrat und mit seiner rauhen Stimme sagte:
»Monsieur Dubois, ich habe erfahren, daß heute um halb zwei die Jacht dieses Mister McJohn in See sticht. Das Ziel soll San Remo sein. Ein Matrose sagte es mir, dem ich eine Flasche Pinard zusteckte. Soll ich den Koffer gepackt lassen?«
Dubois nickte. Tränen standen ihm in den Augen.
»Ja, Marco«, sagte er. »Wir fahren nach dem Essen auch, aber mit dem Wagen. Ich will das sehen. Ich nehme an, du weißt, wer auf der Jacht mitfährt. Ja, du weißt es. Ich hasse sie, Marco. Und wie habe ich sie geliebt! Verstehst du das, Marco? Nein, du kannst es nicht verstehen, du weißt ja gar nicht, was Liebe ist. Du bist ein glücklicher Mensch, du kennst keine Gefühle … Aber ich, ich verbrenne an meinen Gefühlen.«
Als der große geschlossene Wagen aus dem eisernen Portal des Gartens fuhr, hatte die Jacht schon Kurs auf San Remo genommen. Die herrliche Küste blieb immer in Sichtweite. Auf dem Sonnendeck lag Manon in einem knappen Badeanzug und sonnte sich. McJohn saß hinter ihr und spielte mit ihren Haaren. Ruhig glitt die Jacht durch das spiegelnde Wasser.
McJohn war glücklich wie ein kleiner Junge.
14
Was war aus Marcel Putois geworden?
Nachdem Dubois das Atelier für 200.000 Franc gekauft hatte, verschwand Marcel aus Paris, ohne seinem Freund Perpignac zu sagen, wo er den Rest seines Lebens mit dem Vermögen verbringen wollte. Auch lag seine ganze Zukunft als Maler im dunkeln, denn Tengier, der Putois als letzter sah, berichtete, daß dieser geschworen habe, nie wieder einen Pinsel anzurühren.
Perpignac ließ ihn suchen, man fand ihn nicht. Er bat ihn durch eine Zeitungsnotiz, sich zu melden – Marcel Putois schwieg.
Er schwieg und wußte auch gar nicht, daß man ihn so vermißte. Er war noch am gleichen Tag, an dem er von Dubois die 200.000 Franc erhalten hatte, in die Provence gefahren und hatte sich in Nimes ein Zimmer gemietet. Wenn er am Fenster stand, blickte er auf die hohen Mauern der Stierkampfarena, auf die Türme verfallener Ritterburgen und auf die von Zypressen und Pinien bedeckten Höhen. Mit einer hellen Baskenmütze auf dem Kopf, schlenderte er durch die engen Gassen, stieß an jeder Ecke auf einen der vielen Maler, die man hier vor ihren Staffeleien antraf, und sprach mit ihnen über ihre Bilder, ohne sich als Kollege zu erkennen zu geben. Vor allem ihre Technik, mit der sie das Licht des Südens in ihren Gemälden aufleuchten ließen, interessierte ihn. Vielen von denen stand der unsterbliche van Gogh Pate.
Oft zuckte es Putois in den Fingern. Und schließlich kaufte er sich dann doch auch wieder einen Satz Pinsel und begann, heimlich Aquarelle zu malen. Aber es gelang ihm nichts mehr. Immer wieder ertappte er sich innerlich selbst vor dem Bild der Dame mit dem blutroten Schleier, das ihm wie Gift im Blut lag.
So warf er denn die Pinsel wieder weg und rannte ziellos durch die heißen Gassen. Bei den Kartenspielern, die sich im Freien gegenseitig ein paar Centimes abnahmen, verweilte er, bei den Goldschmieden, den Obsthändlern, den leichten Mädchen, die tagsüber in der Sonne saßen und sich neue Reserven für den Abend, die Nacht holten.
In einer der kleinen Weinwirtschaften, die für wenig Geld einen herben Pinard ausschenkten, saß er oft am Fenster und starrte hinaus auf den heißen, hellen Platz, über den die großen Überlandbusse, die neue Touristen in den Süden Frankreichs brachten, rollten. Es waren fröhliche, lärmende Menschen, die den Einheimischen zuwinkten und billige Souvenirs für teures Geld erstanden.
In diesem kleinen Lokal traf er auf Jacques Geltier, einen Philosophen, den der Hunger zum Philosophen gemacht hatte. Das passiert öfter, als man denkt. Die Bücher, die Geltier schrieb, las niemand, selbst er nicht, denn was in ihnen stand, wußte er ohnehin, und was sie sagen sollten, war für andere bestimmt. Er teilte die Menschheit in zwei Klassen ein – die eine war die Oberschicht, die
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