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Das Teufelsweib

Das Teufelsweib

Titel: Das Teufelsweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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andere folgerichtig die Unterschicht. Da das Oben immer auf das Unten drückt, so bewies er, war ein Austausch unmöglich, war der kleine Mann also dazu verurteilt, nie ein großer werden zu können, nie aus seiner Armut, seiner Enge herauszukommen, bis er sich mehr und mehr in sich selbst verkroch und starb. Eine bittere Philosophie war das.
    Jacques Geltier setzte sich eines Morgens zu Putois an den gescheuerten Tisch und bestellte ein Achtel Pinard.
    »Geben Sie ihm eine Karaffe, Garçon!« sagte Putois, dem Geltier vom Sehen bekannt war. Auch über dessen Ruf war er informiert.
    »Zu nett von Ihnen, Monsieur.« Geltier legte die Rechte auf sein Herz. »Sie tun ein gutes Werk.«
    »Es ist mir eine Ehre, Monsieur Geltier.«
    »Oh, Sie kennen mich, Monsieur?«
    »Sie und Ihr Metier, Monsieur.«
    »Sie schmeicheln mir. Kein Mensch liest mich. Die Wahrheit ist nicht gefragt, Monsieur.«
    »Das ist es, Monsieur! Die Menschen scheuen die Wahrheit. Sie wollen sie nicht lesen und erkennen.«
    Geltier rückte näher.
    »Sie sind auch Philosoph, Monsieur?«
    »Nein, ich bin Maler.«
    »Oh!« Geltier winkte ab. »Dann sind Ihre Verhältnisse wohl kaum besser als die meinen?«
    »Doch!«
    Putois lachte, während Geltier ungläubig fragte: »Haben Sie ein Bild verkauft?«
    »Auch das.«
    »Sie Glücklicher. – Was noch?«
    »Mein Atelier.«
    »Sie vom Schicksal Begnadeter!«
    »Und noch etwas habe ich verkauft …«
    »Was?«
    »Mein Leben.«
    »Sie Genie!« rief Geltier. »Und dafür haben Sie Geld bekommen? Wie macht man das? Das müssen Sie mir erklären!«
    Der Witz zog nicht. Putois' Blick wurde abwesend. Der Maler sah schon wieder den blutroten Schleier und den herrlichen Frauenkörper, der dazu gehörte, vor sich.
    »Was ist los?« fragte Geltier, der die geistige Abwesenheit Putois' bemerkte.
    Der Kellner brachte die für den Philosophen bestellte Karaffe an den Tisch. Erst jetzt wandte sich auch Putois wieder an Geltier.
    »Was muß man tun«, fragte er ihn, »wenn man eine Frau, die man bis zum Wahnsinn liebt, nicht lieben darf?«
    Geltiers Antwort war einfach: »Man vergißt sie, Monsieur.«
    »Sie halten nicht viel von Liebe, Geltier?«
    »Gar nichts!« Geltier, der sich eingeschenkt hatte, nahm einen großen Schluck. »Ich hatte einmal ein Mädchen. Jung, hübsch, voller Temperament. Ich liebte sie. Ob sie mich liebte, wußte ich nicht. Ich fragte sie auch nicht. Sie kam in der Nacht und blieb bis zum Morgen. Das genügte mir. Ich fragte auch nicht, woher sie kam. Ihre Liebe war heiß und verzehrend. Es war herrlich. Ich lief Gefahr, daß sie mir das Mark aus den Knochen sog. Aber ich hätte es gern geopfert. Wie sagte doch Schiller, der deutsche Dichter? Einen Tag gelebt im Paradiese, ist nicht zu teuer mit dem Tod bezahlt! Wohlan, wäre ich doch in ihrer Umarmung gestorben!« Er lachte bitter. »Damals fühlte ich mich nach meiner Theorie als einer der Oberen.«
    »Das klingt nicht gut«, meinte Putois.
    »Es kommt noch schlimmer, mon ami.« Geltier griff wieder zum Glas. »Als ich eines Abends spazierenging, um mir noch etwas die Beine zu vertreten, sah ich ein Mädchen an der Ecke stehen und mit einem Engländer um die Francs feilschen.« Er lachte noch bitterer. »Ich hatte eine Hure geliebt.«
    »Dann sind wir Brüder, Jacques«, sagte Putois und stieß mit ihm an. »Nur war die meine eine Millionärin.«
    »Ist ja egal.« Geltier trank nach jedem Satz. »Nackt sind sie alle gleich, ob mit oder ohne Bankkonto. Und nackt wollen sie auch alle das gleiche. Das ist für mich die Geometrie der Liebe, Monsieur. Machen Sie sich nichts draus. Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Putois.«
    »Geltier – sehr erfreut«, sagte der Philosoph, bei dem sich die Zeichen einer rasch anwachsenden Trunkenheit mehrten. »Oben ist oben, und unten ist unten. Mein Name ist Geltier – wußten Sie das schon?«
    Putois sah hinaus auf den Markt. Bei den Obstständen mit ihren bunten Sonnendächern war nicht viel los. Ein Eselskarren rumpelte über den staubigen Platz. Irgendwo in einer Seitengasse brüllte jämmerlich eine Kuh, die gemolken werden wollte.
    »Das Leben ist beschissen«, sagte Putois.
    »Absolut!« bekräftigte Geltier. »Meine ganze Philosophie basiert auf diesem Satz!«
    »Was machen Sie in Nimes?« fragte er Putois.
    »Ich suche einen Platz, wo ich sterben kann«, antwortete Putois, dem der Alkohol auch schon zusetzte.
    »Sterben kann man überall, unter jeder Brücke«, sagte Geltier. »Oder suchen Sie etwas

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