Das Teufelsweib
Reiseanzug, müde abgespannt, das Gesicht grau und faltig, die Augen trübe, wie von einem Schleier überzogen. Er staunte nicht wenig, den berühmten Forscher bei sich zu sehen, und bat ihn, Platz zu nehmen.
Aber McJohn blieb stehen, die Hand in der Tasche.
»Monsieur Dubois«, sagte er kalt. »Was ich zu sagen habe, ist nicht viel. Ich möchte Sie bitten, sich mit mir sobald wie möglich zu schießen …«
Dubois starrte den Gast an und sank in einen Korbsessel. Der ist verrückt, sagte er sich. Er hat den Tropenkoller und verwechselt mich.
»Ich habe nicht die Absicht, Ihnen Ihren exzentrischen Wunsch zu erfüllen«, meinte er ironisch. »Wenn Sie es knallen hören wollen, gehen Sie in einen der amerikanischen Cowboy-Filme.«
McJohn zog die buschigen Augenbrauen zusammen.
»Machen Sie keine Witze, Dubois! Ich meine es ernst. Ich möchte mich mit Ihnen schießen. Sie werden fragen, wieso. Sie sehen keinen Grund zum Duell …«
»Allerdings nicht«, nickte Dubois. Der Mann ist tatsächlich übergeschnappt, dachte er. Malaria tropica mit Schießkomplexen.
»Sie werden innerhalb von zwei Sekunden einen Grund haben, Dubois«, sagte McJohn hart. »Ich möchte, daß Manon Witwe ist, wenn ich sie mit mir nehme …«
Dubois sank in sich zusammen. Der Schlag saß, dachte der Forscher, man sieht's. Jetzt wird er ›Ja‹ sagen. Aber Dubois schwieg. Der auch! dachte er. Ich bin weggefahren, und sie hat sich diesem McJohn an den Hals geworfen. Konnte ich etwas anderes erwarten? Und er will sie mitnehmen. Wohin? Armer Irrer, er glaubt, er ist der einzige für sie. Und deshalb will er mich erschießen, um mich aus dem Weg zu räumen. Er hat mit Manon schon darüber gesprochen, und sie ist einverstanden.
Dubois fühlte einen Druck im Herzen, seine Gesichtszüge verhärteten sich. Jetzt gerade nicht, mein Täubchen, dachte er. Jetzt sollst du mich erst recht kennenlernen. Frei willst du sein von mir … o nein, du wirst weder frei sein, noch Witwe.
Er richtete sich auf und blickte in die harten Augen McJohns.
»Sie können gehen, McJohn. Ich gebe Manon nicht frei.«
»Sie haßt Sie!« schrie der Forscher.
Dubois nickte. »Ich weiß. Ich sie nicht minder, seit kurzem. Aber auch Haß kann befriedigen. Man kann einen Menschen so hassen, daß es einem zum Lebensinhalt wird.«
»Manon hat recht, Sie sind ein Tier!« brüllte McJohn.
»So? Hat sie das gesagt?« Dubois lächelte verzerrt. »Sie hat Begabung, das Tierische im Menschen erst richtig zu wecken …«
Percy McJohn drehte sich schroff um, während er verächtlich hervorstieß: »Hol Sie der Teufel! Ich dachte, Sie seien ein Mann von Ehre!«
»Von Ehre?« dehnte Dubois. »Sie wollen mir meine Frau wegnehmen, und ich soll mich dafür erschießen lassen – das nennen Sie Ehre? Wissen Sie, was ich Ihnen sage? Ich verlange, daß meine Frau, von der ich annehme, daß sie bei Ihnen ist, sofort hierher kommt! Haben Sie mich verstanden?«
Der Forscher, der sich an der Tür noch einmal umgedreht hatte zu Dubois, lachte: »Verlangen Sie, was Sie wollen, das interessiert uns nicht.«
Dubois zuckte die Schultern. »Wie Sie meinen. Ich wollte Ihnen eine Chance geben. Der einzige, dem Manon gehört, bin nämlich ich. Lachen Sie nicht, McJohn! Sollten Sie in einem Monat noch lachen können, wenn Sie den Namen Manon hören, werden Sie von mir eine Million Franc bekommen.«
McJohn riß die Augen auf. Geldgier erwachte in ihm. Er scheute sich nicht, Dubois die Hand entgegenzustrecken, wobei er sagte: »Das ist ein Wort. Das hätte ich gerne in die Hand versprochen von Ihnen. Schlagen Sie ein!«
Und Dubois zeigte sich ihm sogar willfährig.
»Aber jetzt gehen Sie, bitte!« sagte er dann. »Doch halt! Ich möchte Ihnen noch einen zauberhaften Anblick nicht vorenthalten …« Er griff in eine Ecke und drehte das Bild herum. Herrlich schimmerte im Tageslicht der nackte Leib des Aktes mit dem roten Schleier. »Wunderbar! Nicht wahr?« sagte Dubois.
»Manon«, stammelte McJohn. »Manon! Sie ist es! Wer hat das Bild gemalt?«
»Ein gewisser Putois in Paris! Als sie ihm Modell stand, wurde sie seine Geliebte. Doch er malte das Bild nur im Auftrag eines anderen Geliebten von ihr, des Comte de Santerres. Als sie diesen verließ und betrog, spielte er mir aus Rache das Bild in die Hände. Jetzt sind Sie bei ihr an der Reihe, morgen wird es ein anderer sein, vielleicht Ihr Freund, Ihr Koch, Ihr Diener. Sie ist nicht wählerisch. Deshalb werden auch Sie einmal wie Putois, Santerres
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