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Das Titanic-Attentat

Das Titanic-Attentat

Titel: Das Titanic-Attentat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Wisnewski
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Was ist mit den anderen Superreichen, die angeblich so heldenhafte Tode gestorben sind – Isidor Straus und Benjamin Guggenheim zum Beispiel? Guggenheim, der sich seinen besten Abendanzug anzieht, um wie ein Gentleman zu sterben? Oder Straus, der klaglos an Bord zurückbleibt und dessen Frau ihm heldenhaft im Tode Gesellschaft leistet? Wie bereits Wolf Schneider feststellte, überlebte »von den vier Männern an Bord, die nach heutigem Geld Milliardäre wären, nicht einer«. [190]
    Auch die Schicksale und das heroische Verhalten dieser Menschen haben wir längst mit der Muttermilch eingesogen, so dass sie nur noch weitererzählt, aber nicht mehr hinterfragt werden. Sie gelten als fest zementierte geschichtliche Tatsachen. Doch sind sie das wirklich?
    Ein James Bond, bevor James Bond erfunden wurde
    Nehmen wir als Nächstes Benjamin Guggenheim. »Benjamins Tod ist legendär«, heißt es beispielsweise im Programmtext zu einer 3sat-Dokumentation über die Familie Guggenheim. Und das ist nicht übertrieben. Kaum etwas wurde so schön ausgeschmückt wie der Tod von Benjamin Guggenheim an Bord der
Titanic
. 3sat hat in dieser Hinsicht jedoch quasi den Vogel abgeschossen: »Am 15. April 1912 auf der untergehenden
Titanic
räumte der Erste-Klasse-Passagier seinen Platz im Rettungsboot für Damen aus der zweiten Klasse.« Donnerwetter: Da räumt dieser First-Class-Gentleman also seinen Platz nicht nur »für Damen«, sondern auch noch für welche »aus der zweiten Klasse«.
    Nach allem, was wir wissen, konnte Guggenheim, der seine Kabine auf der Backbordseite der
Titanic
hatte, jedoch erst gar nicht an Bord eines Rettungsbootes gelangen. Und wenn, dann hat er seinen Platz wohl kaum freiwillig geräumt, sondern wurde von Lightoller und seinen Männern aus dem Boot geworfen. Aber lauschen wir dieser öffentlich-rechtlichen TV -Poesie noch einen Moment weiter: »Gemeinsam mit seinem Butler half er frisch parfümiert und im Smoking« den Damen ins Boot »und verabschiedete sich dann salutierend mit den Worten ›Nun sind wir angemessen gekleidet und bereit, wie Gentlemen unterzugehen‹ von der Welt«. Wow – dieser Guggenheim! Ein James Bond, bevor James Bond überhaupt erfunden wurde! Bis auf das fehlende Happy End natürlich …
    Tatsächlich ist dies die kitschigste Variante der Guggenheim-Legende, die mir bisher begegnet ist. Der ursprüngliche Kern dieses Mythos besagt, der Steward Henry Etches habe Guggenheim und seiner Begleitung Schwimmwesten angeboten, aber der habe mit den Worten abgelehnt: »Wir sind angemessen gekleidet und bereit, wie Gentlemen unterzugehen. Aber wir hätten gerne einen Brandy.« Dabei habe er es regelrecht genossen, sich als unerschrockenen Gentleman zu inszenieren, und sich gekleidet wie für einen festlichen Empfang. Später sieht man ihn auf diese Weise in dem Cameron-Film
Titanic,
was den Eindruck erweckt, als hätten ihn viele Menschen dabei beobachtet. Ebenfalls Gegenstand der offiziellen Legende ist die angeblich letzte Nachricht Guggenheims an seine Frau.
    Ein Steward erzählt
    Kann jemand wirklich so »cool« vom Leben Abschied nehmen und auf den grausamen Tod durch Ertrinken warten? Vielleicht. Aber das ist wohl eher die Ausnahme. Wie gesagt, wirkt diese Version einfach zu schön, um wahr zu sein. Des Weiteren gefällt mir an der Geschichte nicht, dass sie dem Opfer die Schuld an seinem Tod selbst in die Schuhe schieben will. Nach dem Motto: Man habe den Mann ja retten wollen, aber der habe es selbst abgelehnt.
     
    All diese Versionen und Erzählungen über Guggenheims Tod erwecken den Eindruck, als könnten sie von vielen Menschen bestätigt werden: den »Damen« in den Rettungsbooten beispielsweise, aber auch den Menschen, die Guggenheim mit einem Brandy sahen. Überraschenderweise gibt es für das Ende Guggenheims jedoch nur ganz wenige Zeugen – vor allem den überlebenden Kabinensteward James Etches:
    »James Etches, Hilfssteward in der ersten Klasse der
Titanic,
erschien gestern Morgen im St. Regis Hotel und fragte nach Mrs. Benjamin Guggenheim«, berichtete die
New York Times
am 20. April 1912. »Er sagte, er habe eine Nachricht von Benjamin Guggenheim, einem der Opfer des Seeunglücks. Er sagte, sie müsse persönlich überbracht werden.« Mrs. Guggenheim, berichtete die
New York Times
, sei in der Obhut von Daniel Guggenheim gewesen, dessen Appartements sich im St. Regis Hotel befänden. Der Steward sei vorgelassen worden, aber nicht zu Mrs. Guggenheim

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