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Das Titanic-Attentat

Das Titanic-Attentat

Titel: Das Titanic-Attentat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Wisnewski
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persönlich, die vom Kummer niedergestreckt worden sei. Der Steward habe darauf bestanden, seine Nachricht persönlich zu überbringen, aber letztlich zugestimmt, dass die Botschaft durch Mrs. Guggenheims Schwager (Daniel Guggenheim) überbracht werden kann.
    »Wir waren fast bis zum Ende zusammen«, habe der Steward demnach gesagt. »Ich wurde gerettet, er ging mit dem Schiff unter. Aber das ist nicht das, was ich Mrs. Guggenheim sagen will.« Dabei habe Etches ein Stück Papier hervorgeholt, auf dem der Steward eine Nachricht von Guggenheim aufgeschrieben hatte, um sie sich besser merken zu können: »Wenn mir irgendetwas passieren sollte, sagen Sie meiner Frau in New York, dass ich alles getan habe, um meine Pflicht zu erfüllen.« Das sei alles, habe der Steward gesagt, für mehr sei an Bord der
Titanic
keine Zeit gewesen.
    Stück für Stück habe Guggenheims Bruder Daniel die ganze Geschichte vom Tod seines Bruders aus dem Steward herausgeholt, berichtete die
New York Times
. Es seien die ersten konkreten Nachrichten von seinem Bruder gewesen. »Mr. Guggenheim war eine meiner Aufgaben«, habe der Steward gesagt. »Er hatte seinen Sekretär bei sich, ich glaube, sein Name war Giglio, ein Armenier, ungefähr 24 Jahre alt. Beide starben wie Soldaten. Als der Crash passierte, weckte ich sie auf und sagte ihnen, sie sollen sich anziehen. Einige Minuten später ging ich in ihre Kabinen und half ihnen beim Fertigmachen. Ich zog Herrn Guggenheim eine Schwimmweste an; er sagte, sie schmerze am Rücken. Es war noch jede Menge Zeit, also zog ich sie ihm aus, machte sie zurecht und zog sie ihm wieder an. Um diese Zeit war noch alles in Ordnung. Sie wollten ganz dünn gekleidet an Deck gehen, aber ich zog einen dicken Pullover über Herrn Guggenheims Schwimmweste, dann gingen sie beide raus. Sie blieben zusammen, und ich konnte verfolgen, was sie taten. Sie gingen von einem Rettungsboot zum anderen und halfen den Frauen und Kindern. Herr Guggenheim rief: ›Frauen zuerst‹, und war eine große Hilfe für die Offiziere. Zuerst standen die Dinge nicht so schlecht, aber als ich Herrn Guggenheim eine Dreiviertelstunde nach dem Zusammenstoß sah, herrschte große Aufregung. Was mich überraschte, war, dass Herr Guggenheim und sein Sekretär in ihre Abendgarderobe gekleidet waren. Sie hatten ganz gewusst ihre Pullover ausgezogen, und soweit ich mich erinnere, trugen sie auch keine Schwimmwesten. ›Was soll das?‹, fragte ich. ›Wir haben unsere besten Sachen angezogen‹, antwortete Herr Guggenheim, ›und sind darauf vorbereitet, wie Gentlemen unterzugehen.‹ Um diese Zeit gab mir Herr Guggenheim die Nachricht an seine Frau auf, und deshalb bin ich jetzt hier. Kurz nachdem die letzten Boote gefiert und ich von einem Offizier an die Ruder befohlen worden war, winkte ich Herrn Guggenheim Auf Wiedersehen, und das war das letzte Mal, dass ich ihn und seinen armenischen Sekretär sah.«
     
    Daniel Guggenheim habe der
New York Times
gesagt, so das Blatt, dass sein Bruder in der zweiten Klasse auch einen Chauffeur namens Pernot an Bord gehabt habe, von dem man nichts gehört habe. »Herr Guggenheim sagte, dass Frau Guggenheim durch die Nachricht von ihrem Mann sehr getröstet worden sei.«
    Eine merkwürdige Geschichte
    Eine sehr, sehr merkwürdige Geschichte. Zunächst einmal ist die Faktenlage lange nicht so gut, wie wir bisher immer dachten. Von Benjamin Guggenheim selbst existiert in Wirklichkeit kein letztes Abschiedsdokument, weder eine handgeschriebene Nachricht noch ein Telegramm, wie manchmal ebenfalls irrtümlich angenommen wird. Vielmehr gibt es da einen Zimmersteward, dem er seine Nachricht mündlich anvertraut haben soll. Dieser Steward und nicht Guggenheim hat die Nachricht aufgeschrieben, um sie anschließend mündlich weiterzugeben, und zwar nicht an Frau Guggenheim selbst, sondern an deren Schwager und Benjamins Bruder Daniel.
    Der weitverbreitete Eindruck einer schriftlichen Nachricht Guggenheims täuscht also. Schriftlich existierte die Nachricht nur als selbstgeschriebene Gedächtnisstütze des Stewards. Wenn überhaupt. Denn die Geschichte vom Besuch des Stewards im St. Regis Hotel und seiner Nachricht erzählte nicht er selbst der
New York Times,
sondern eben Guggenheims Bruder Daniel. Erst dieser Daniel ist die Quelle der
New York Times
und damit wohl die eigentliche Quelle der ganzen Geschichte um den heldenhaften Tod von Benjamin Guggenheim – nach Lage der Dinge eine Geschichte vom Hörensagen.

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