Das Titanic-Attentat
Tasche.« [183]
Der dritte von Behe zitierte Zeuge ist Richard Roberts, der Kapitän von Astors Privatjacht, der die Leiche erst sah, nachdem sie nach Halifax gebracht worden war. Die Gesichtszüge seien unverletzt gewesen, das Gesicht nur blass von der Liegezeit im Wasser. [184] Bei der Bergung habe sich die Leiche in gewöhnlicher Kleidung mit den Initialen Astors befunden, berichtete demnach Roberts,
der hier allerdings nur vom Hörensagen erzählt, da er bei der Bergung nicht dabei war
. Der Körper sei auch anhand von persönlichen Gegenständen wie einem Gürtel mit einer goldenen Schnalle oder persönlichen Dokumenten identifiziert worden. Außerdem habe er eine beachtliche Menge Bargeld bei sich gehabt.
Obwohl sich diese drei Berichte in einzelnen Details unterscheiden, schreibt Behe, würden doch alle darin übereinstimmen, dass Astors Leiche nicht zerschmettert und mit Ruß bedeckt oder sonst wie entstellt war, was nahegelegt hätte, dass er von einem Schornstein getroffen worden wäre. Das ist erstens richtig. Zweitens bin ich der Meinung, dass die kleinen Unterschiede in den Schilderungen leicht nachzuvollziehen sind.
Der Einzige von den dreien, der die Leiche im Originalzustand sah und dies auch so weitergab, war der
Mackay-Bennett
-Elektriker Ross. Da er offenbar unmittelbar dabei war, als der Körper aus dem Wasser gezogen wurde, hatte noch niemand Hand an die Leiche gelegt. Er beschrieb (neben der Uhr, auf die ich gleich zurückkomme) Astors geschwollenes Gesicht und seinen verletzten Kiefer.
Der Nächste war der Bestatter, der den exzellenten Erhaltungszustand der Leiche erwähnte. Damit bezieht sich ein Bestatter weniger auf mögliche Verletzungen als vielmehr auf den Grad der Verwesung. Und in diesem Sinne war die Leiche nach acht Tagen in eiskaltem Wasser vermutlich tatsächlich ausgezeichnet erhalten – eine bessere Aufbewahrung für eine Leiche ist eigentlich kaum denkbar. Des Weiteren sind Bestatter keine Gerichtsmediziner; sie decken keine Verletzungen auf, sondern beschönigen und kaschieren sie. Außerdem sind sie der Diskretion und Pietät verpflichtet. Daher hat Snow vermutlich nichts von Astors Verletzungen erwähnt.
Sehr wahrscheinlich »steckt« der Bestatter vielmehr auch hinter der dritten Beschreibung von Astors Leiche durch Kapitän Roberts, der den Toten als Letzter von den dreien sah und die Gesichtszüge als unverletzt beschrieb. Genau diesen Eindruck zu erreichen ist nun wiederum die vornehmste Aufgabe eines Bestatters. Zu seinem Berufsethos gehört es, Freunde und Hinterbliebene nicht mit der Hässlichkeit des Todes zu konfrontieren. Sehr wahrscheinlich hatte er die Astor-Leiche also bereits an Bord des Bergungsschiffes »hergerichtet«.
Darauf können auch die leichten Unterschiede in der Beschreibung der Kleidung bei der Bergung zurückgehen. Wobei es hier nur zwei sich leicht widersprechende Versionen gibt, nämlich die des Elektrikers (»Geschäftsanzug«) und die des Bestatters (»bester Abendanzug«). Die dritte Beschreibung von Kapitän Roberts stammt nur vom Hörensagen. Als Roberts am 30. April 1912 nämlich an Bord des Bergungsschiffes
Mackay-Bennett
kam, sah er Astors Leiche lediglich in Unterwäsche. [185] Und was den Widerspruch zwischen dem
Mackay-Bennett
-Elektriker und dem Bestatter angeht: Die Klassifizierung von Kleidung (Abendanzug/Geschäftsanzug) ist nicht jedermanns Sache und gehört nicht unbedingt zu den Fähigkeiten eines Elektrikers. Zu denen eines Bestatters aber schon; da sie häufig Leichen an- und ausziehen und für die Beerdigung festlich kleiden, sind Bestatter wahre Experten in Sachen Kleidung. Was die korrekte Klassifizierung der Kleidung angeht, wäre dem Urteil des Bestatters also eher zu vertrauen.
Die bisherige Analyse bringt uns bereits zu einem wichtigen Befund, nämlich, dass die drei Zeugenaussagen trotz oder gerade wegen ihrer kleinen Unterschiede ein stimmiges und logisches Ganzes ergeben. Und diese Feststellung ist sehr wichtig, wenn wir uns nun der wichtigsten Übereinstimmung zuwenden, nämlich John Jacob Astors Uhr.
Die Uhr des John Jacob Astor
Beide Zeugen, die auf der
Mackay-Bennett
vor Ort waren (Elektriker und Bestatter), beschreiben die aus John Jacob Astors Tasche baumelnde wertvolle Uhr. Als Material erwähnen die beiden Diamanten (der Elektriker) und Gold (der Bestatter), was natürlich kein Widerspruch ist, sondern sich wiederum sinnvoll ergänzt: Das Gold oder die Vergoldung ist bei einer
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