Das Titanic-Attentat
zukommen sehen. Dabei sei er auf ihn zugegangen und habe gefragt: »Wie geht es, Kapitän Smith?« Ohne zu bemerken, was er eigentlich tat, sei er dem Mann gefolgt. Der habe sich mehrmals umgedreht, und als er Pryal gesehen habe, sei er in das Calvert-Gebäude gehuscht, um in der Menge unterzutauchen. Pryal sei ihm jedoch auch durch das Equitable-Gebäude gefolgt, wonach er Smith eine Straßenbahn besteigen sah. Pryal sei in denselben Wagen gestiegen und habe Smith an der Washington-, Baltimore- und Annapolis Station aussteigen sehen, wo er einen Fahrschein nach Washington gekauft habe. Als er durch die Schranken gegangen sei, um einzusteigen, habe er sich umgedreht und lächelnd gesagt: »Mach’s gut, Schiffskamerad, bis wir uns wiedersehen.« Pryal habe mit großer Ernsthaftigkeit erklärt, er sei bereit, das zu beschwören.
Laut
The Washington Herald
vom 24. Juli 1912 legte Pryal nach. Überschrift: »Immer noch sicher, dass er Kapitän Smith sah«. Pryal bestehe immer noch auf seiner Behauptung, »dass er Kapitän Smith sah, von dem angenommen wird, dass er bei dem
Titanic
-Desaster ertrunken ist«. Pryal habe gestern erklärt, er sei sicher, dass der Kommandant des untergegangenen Schiffes lebt und wohlauf ist und sich in den Diensten der White Star Line befindet. Pryal habe auch geschildert, wie er sich Smith’ Rettung vorstelle:
Der Ort, an dem die
Titanic
sank, ist nicht weit von dem Punkt entfernt, an dem ich 1860 mit dem Allen-Liner
Indian
strandete. Der Kapitän, der ebenfalls Smith hieß, verwechselte ein Licht auf Barren Island mit einem Schiff und setzte sein Boot auf das Riff. Wir wurden in den Booten heruntergelassen und erreichten die Insel, wo wir von einigen Fischerbooten gerettet und schließlich nach Boston gebracht wurden. Es wäre ein Leichtes für Kapitän Smith von der
Titanic
gewesen, als Passagier getarnt in ein Rettungsboot zu gelangen und erneut, im Bewusstsein der Nachbarschaft zu Barren Island, freilich unter Schwierigkeiten dorthin zu gelangen und von da aus nach Cape Sable. Ob er das tat oder auf andere Weise gerettet wurde, weiß ich nicht, aber ich weiß, dass er lebt und dass ich ihn sah. Ich würde ihn überall und unter allen Umständen wiedererkennen.
Ein Blick auf die Landkarte ergibt: Cape Sable befindet sich bereits auf der Landmasse von Neuschottland und ist daher viel zu weit weg vom Untergangsort der
Titanic
. Wahrscheinlich meint Pryal daher die 40 Kilometer lange, etwa 200 Kilometer vor der neuschottischen Küste gelegene sichelförmige Insel Sable Island. Da sie ihre Gestalt dauernd ändert, endeten hier schon viele Atlantiküberquerungen unfreiwillig. Die Untiefen rund um die Insel sind mit Schiffswracks gespickt. Mehrere hundert Schiffe sollen sich hier im Laufe der Zeit angesammelt haben. Da die Insel sehr nahe an den transatlantischen Schifffahrtsrouten liegt, ist der Gedanke, hier nach Schiffbrüchigen der
Titanic
zu suchen, auf den ersten Blick naheliegend. Auf den zweiten Blick stellt man jedoch fest, dass die
Titanic
noch einmal etwa tausend Meilen weiter östlich unterging, nämlich vor dem kanadischen Kontinentalschelf – zu weit, um die Strecke mit einem Ruderboot zurückzulegen.
Wohl in Anspielung auf die Gerüchte von einem Selbstmord Kapitän Smiths sagte Pryal, Smith sei ein zu vernünftiger Mensch gewesen, um sich das Leben zu nehmen.
Am 1. August 1912 berichtete
The Mathews Journal,
bei der White Star Line habe man Pryals Behauptungen ungläubig zur Kenntnis genommen. »Wir haben nichts gehört, was darauf hinweisen würde, dass Kapitän Smith bei dem Untergang der
Titanic
nicht ums Leben gekommen ist. Die Geschichte von diesem Kapitän aus Baltimore muss entweder auf einer Täuschung oder Verwechslung beruhen«, zitierte das Blatt einen Manager der White Star Line.
Fazit: Einerseits gibt es keine anderen Zeugen für das Auftauchen von Kapitän Smith. Andererseits will Pryal Kapitän Smith nicht nur einmal, sondern zweimal gesehen haben. Drittens sind Pryals Aussagen von dem Zusammentreffen ausführlich und glaubwürdig. Viertens wurde in diesem Buch gezeigt, dass es sehr wohl möglich war, von der sinkenden
Titanic
zu entkommen. Und fünftens gibt es tatsächlich eine Verbindung zwischen Kapitän Smith und Baltimore. Und zwar hatte Smith laut
Sydney Morning Herald
vom 23. Juli 1912 dort einen Neffen. Der sei nach der Entdeckung seines Onkels durch Pryal plötzlich verschwunden.
Die Geschichte hatte jedoch keinerlei Folgen. Während
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