Das Titanic-Attentat
mit keinem Wort einen Eisberg. Die Episode aus dem Rauchsalon erscheint daher als Fremdkörper in seiner eigenen Erzählung, wobei erschwerend hinzukommt, dass Beesley selbst zu verstehen gibt, dass es für diese Episode keine Zeugen (mehr) gebe – weil nämlich niemand aus dem Rauchsalon überlebt habe.
Tatsächlich scheint Beesley die einzige Quelle für diese Episode aus dem Rauchsalon zu sein; bei den beiden Untersuchungen wurde sie mit keinem Wort erwähnt, auch Beesleys Name fiel dort nicht ein einziges Mal. Die Episode wirkt wie nachträglich in sein Buch eingefügt, vielleicht, um das Buch mit einem späteren »Wissen« ex post facto zu vervollständigen, und zwar ohne den Rest der Erzählung redaktionell anzupassen. Zumindest hätte Beesley dem Leser erklären müssen, warum er sein Wissen um den Eisberg nach der Episode im Rauchsalon nicht an die anderen Passagiere weitergab.
Glücklicherweise gab es doch einen Überlebenden aus dem Rauchsalon, seine Aussage unterscheidet sich jedoch wesentlich von der Erzählung Beesleys. Demnach tauchte auch im Rauchsalon der Eisberg nur als Gerücht oder als Wahrnehmung vom Hörensagen auf. Der Zeuge, ein Erste-Klasse-Passagier namens Hugh Woolner, sagte am zehnten Tag der amerikanischen Untersuchung aus:
Mr. WOOLNER : Ich war im Rauchsalon zum Zeitpunkt des Aufpralls.
Senator SMITH : Wer, wenn überhaupt, war noch dort außer Ihnen, den Sie kannten?
Mr. WOOLNER : Mr. Steffanson, ein schwedischer Gentleman, dessen Bekanntschaft ich an Bord machte und der an meinem Tisch saß.
Senator SMITH : Sonst noch jemand?
Mr. WOOLNER : Ja, ein Mr. Kennett.
Senator SMITH : Sonst noch jemand?
Mr. WOOLNER : Ich glaube, aber ich bin nicht ganz sicher, ein Mr. Smith. Er war seit kurzer Zeit bei uns.
Senator SMITH : Haben Sie Mr. Stead an diesem Abend gesehen?
Mr. WOOLNER : Ich kenne ihn nicht.
Senator SMITH : Wann haben Sie als Erstes von dem Aufprall erfahren?
Mr. WOOLNER : Wir haben es unter dem Rauchsalon gespürt. Wir nahmen eine Art Stoppen wahr, eine Art – nicht gerade einen Stoß, aber eine Form von Abbremsen. Und dann fühlte es sich an, als ob etwas aufriss, wobei der ganze Raum in eine leichte Drehung versetzt wurde. Soweit ich sehen konnte, stand jeder auf, und eine Reihe von Männern ging schnell durch die Schwingtüren und rannte auf die Backbordseite hinaus zu dem Geländer hinter dem Mast. Ich glaube, da war ein Mast, und dahinter ein Geländer.
Senator SMITH : Was haben Sie getan?
Mr. WOOLNER : Ich hörte mir die Vermutungen an. Die Leute überlegten, was es sein könnte, und ein Mann rief aus: »Ein Eisberg ist am Heck vorbeigeschwommen.« Aber wer das war, weiß ich nicht. Ich habe den Mann seither nicht mehr gesehen.
Senator SMITH : Was haben Sie dann getan?
Mr. WOOLNER : Ich bin dann gegangen, um nach Mrs. Candee zu sehen, sie war die Dame, an der ich am meisten interessiert war, und ich traf sie vor ihrer Suite.
Senator SMITH : Was geschah dann? Bitte beschreiben Sie, was Sie taten.
Mr. WOOLNER : Ich sagte: »Irgendein Unfall ist passiert, aber ich glaube nicht, dass es etwas Ernstes ist. Lassen Sie uns ein bisschen spazieren gehen.« Wir gingen eine ganze Weile auf dem hinteren Deck spazieren. Als wir an …
Senator SMITH (unterbricht): Wie lange?
Mr. WOOLNER : Ich denke, zehn Minuten oder länger. Als wir an einem der Eingänge zum Korridor vorbeikamen, sahen wir Leute, die mit Schwimmwesten heraufkamen. Also ging ich hinein und fragte den Steward: »Sind das Befehle?«
Senator SMITH : Das heißt, Sie fragten ihn, ob das Anlegen der Schwimmwesten befohlen worden war?
Mr. WOOLNER : Ja, ich rief jemandem zu, der gerade vorbeiging.
Senator SMITH : Einem Mitarbeiter mit einer Schwimmweste?
Mr. WOOLNER : Nein, er stand am Eingang, und er sagte: »Befehle.« Ich ging zurück zu Mrs. Candee und ging mit ihr zu ihrer Suite, wir nahmen die Schwimmweste aus ihrer Garderobe und banden sie ihr um. Dann nahm sie ein oder zwei Sachen aus ihrem Gepäck, kleine Sachen, die sie in ihre Tasche stecken konnte oder so etwas, und sagte: »Wir gehen jetzt hinauf aufs Deck und werden sehen, was wirklich passiert ist.« [123]
Wer glaubte, der Eisberg aus Beesleys Erzählung von seinem Erlebnis im Rauchersalon sei nun endlich plastischer geworden, sah sich durch diese Zeugenaussage getäuscht. In Wirklichkeit widersprach sie Beesleys Eisberg-Erzählungen in zentralen Punkten:
Niemand hatte den Eisberg durchs Fenster
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