Das Todeskreuz
Betriebsamkeit?«, fragte Durant und hängte ihre
Tasche über den Stuhl.
»Kann man so sagen. Alles Ausdrucke aus den Computern der
Verblichenen. Wollen Sie das übernehmen?«
»Nein, danke, ich hab genug zu tun. Was ist mit Verstärkung?
«
»Noch keine Kapazitäten frei, Sie wissen ja, das vermisste
Mädchen. Morgen kriegen wir aber zwei Leute zur Seite gestellt.
Was haben Ihre Befragungen ergeben?«
Sie setzte sich und schlug die Beine übereinander. »Schwierig
zu beurteilen. Die Sittler war alles andere als umgänglich, so viel
hab ich rausgekriegt. Sowohl ihre Hausdame, eine sehr interessante
Frau, zu der ich gleich noch mehr erzähle, als auch ihre Mutter
stellten sie nicht gerade in einem guten Licht dar. Aber ich
möchte, dass auch Peter und Doris dabei sind. Es gibt da einiges,
das alle wissen sollten. Und was haben Sie rausgefunden?«
Berger lehnte sich zurück, streckte sich und verschränkte die
Arme hinter dem Kopf. Der alte Fuchs sah Durant an und meinte:
»Sie war seit 1988 als Staatsanwältin in Darmstadt tätig. Anfangs
hat sie Jugendstrafsachen bearbeitet, aber dann begann ihr steiler
Aufstieg. Nach zwei Jahren schon wurde sie in größeren Strafverfahren
eingesetzt, wobei mir noch die entsprechenden Akten
fehlen. Es war überhaupt ein ziemlicher Kampf, etwas über die
Dame zu erfahren, denn ihre ehemaligen Kollegen zeigen sich
nicht gerade auskunftsfreudig.«
Durant beugte sich nach vorn und sagte: »Hier geht es um
Mord, und wir müssen die Hintergründe kennen. Dazu zählt auch
die Vita und da besonders ihr beruflicher Werdegang. Mit wem
haben Sie gesprochen?«
»Unter anderem mit einem Dr. Meyerhans, falls Ihnen der
Name etwas sagt.«
»Nein, nie gehört.«
»Er ist seit über dreißig Jahren bei dem Verein, Oberstaatsanwalt
und mit allen Wassern gewaschen. Er hat mir knallhart zu
verstehen gegeben, dass wir wie alle andern auch den ganz offiziellen
Dienstweg ...«
»Augenblick«, echauffierte sich Durant, »heißt das etwa, mit
all dem Papierkram und so weiter?«
»Genau das. Und wenn Sie mich fragen, wollen die etwas vertuschen
beziehungsweise wollen nicht, dass wir etwas erfahren,
was wir besser nicht wissen sollten. So viel dazu. Außerdem hat
er gesagt, dass Auskünfte nur der hiesigen Staatsanwaltschaft erteilt
werden.«
Durant hob die Hand und sagte: »Moment, damit ich das richtig
kapier. Die weigern sich, uns bei der Aufklärung des Mordes
an einer ehemaligen Kollegin zu helfen?«
»Naja, weigern direkt nicht, aber es kann dauern, bis wir mehr
über die Sittler in Erfahrung bringen, speziell, was ihren beruflichen
Werdegang angeht«, war die knappe Antwort, bei der
Berger auf eine seltsame Weise schmunzelte.
»Da stinkt was gewaltig. Wer von unseren Staatsanwälten hat
sich denn bis jetzt gemeldet?«
»Vollmer. Er lässt uns allerdings vorläufig freie Hand. Ich
habe ihm gegenüber auch so getan, als würde es sich um einen
ganz normalen Mordfall handeln, mit einem vermutlich sexuellen
Hintergrund. Er hat die mir bisher vorliegenden Unterlagen
in Kopie erhalten, und bis jetzt hat er sich nicht wieder gemeldet.
Er ist eben nicht mehr der Jüngste und ... Naja, Sie kennen Vollmer
«, sagte Berger mit wieder diesem Schmunzeln.
Durant sah ihn mit leicht geneigtem Kopf an und meinte:
»Aber wenn ich Sie so ansehe, haben Sie noch was in der Hinterhand,
oder?«
»Frau Durant, ich bin seit fast fünfunddreißig Jahren Bulle. Es
hat mich zwar ein paar Telefonate und einiges an Überredungskunst
gekostet, aber dann hatte ich zumindest ein paar Informationen
beisammen. Wollen Sie sie hören?«
»Raus damit.«
»Pfeifen Sie doch erst mal Ihre Kollegen herbei.«
Durant erhob sich, ging in das Nachbarbüro und gab Kullmer
und Seidel ein Zeichen, zu ihr und Berger zu kommen. Kullmer
hatte bereits den Hörer aufgelegt, Seidel verabschiedete sich gerade
von ihrem Gesprächspartner.
»Was gibt's?«
»Rüber zum Chef, Besprechung.«
Nachdem alle versammelt waren, sagte Berger: »Bevor ich
beginne, möchte ich gerne etwas von Ihnen hören. Wer fängt
an?«
Kullmer begann. »Wir waren bei diesem Frantzen in der
Kanzlei. Er war aber leider nicht zu sprechen, weil er erst morgen
aus Lyon wiederkommt. Allerdings hat uns seine Sekretärin ein
paar Fragen beantwortet, die jedoch nicht weiter von Belang sein
dürften. Die Sittler war seit Juni '96 für die Kanzlei tätig. Dass
sie vorher die Gegenseite vertreten hat, war der jungen
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