Das Todeskreuz
sondern weil sie
wahrscheinlich noch nie eine Leiche gesehen hat. Ich kann mich
aber auch in ihr täuschen, ich hab sie ja nur einmal gesehen und
gesprochen. Es ist zu früh, ein Urteil abzugeben. Und jetzt sind
Sie dran, Chef«, sagte Durant.
Berger räusperte sich, legte die Arme auf den Tisch und faltete
die Hände. »Wie ich Frau Durant gegenüber bereits erwähnte, habe
ich einige Telefonate geführt und dabei erfahren, dass die Sittler eine
steile Karriere hingelegt hat. Das habe ich aber auch nur rausgekriegt,
weil ich die entsprechenden Fragen gestellt habe.«
Als er nicht weitersprach, sagte Durant neugierig und ungeduldig:
»Und weiter?«
»Nichts weiter. Wir stehen vor einem riesigen Problem, denn
mein letzter Gesprächspartner hielt sich äußerst bedeckt. Details
wollte er überhaupt nicht nennen. Angeblich weiß er nichts Genaues
über Prozessverläufe und wie gewisse Verhandlungen geführt
wurden. Und was er weiß, weiß er angeblich auch nur vom
Hörensagen, weil etliche Prozesse unter Ausschluss der Öffentlichkeit
stattfanden. Er war ziemlich nervös und schien auch
irgendwie Angst zu haben. Ich habe ihm angeboten, sich mit mir
zu treffen, und ihm meine Telefonnummern gegeben, auch wenn
ich wenig Hoffnung habe, dass er sich bei mir meldet. Für uns gilt
es jedenfalls, herauszufinden, was die Sittler so getrieben hat.«
Für einige Sekunden herrschte Schweigen, bis Kullmer ungewohnt
emotional reagierte und erregt hervorstieß: »Das kann
doch nicht sein! Hier geht es um Mord, was um alles in der Welt
soll hier vertuscht werden?«
Berger hob beschwichtigend die Hand. »Die Staatsanwaltschaft
ist nicht verpflichtet, uns Unterlagen herauszugeben. Sie
wissen doch, wie das läuft, wenn die was von uns wollen, müssen
wir immer springen, andersrum läuft's nicht, die stehen nun mal
über uns. Allerdings frage ich mich auch, warum die so unzugänglich
sind. Aber ich denke, wir werden einen Weg finden, an
die entsprechenden Akten zu gelangen. Frau Durant, Sie kennen
doch Gott und die Welt«, sagte er wieder mit diesem Gesichtsausdruck,
den sie nicht so recht zu deuten wusste.
»Ich kenne leider weder Gott noch die Welt«, entgegnete sie,
ohne Berger aus den Augen zu lassen. »Auch wenn mein Papa
Pfarrer ist. Und rumgekommen bin ich auch noch nicht so viel.«
Berger wollte gerade ansetzen, etwas zu entgegnen, als sein
Handy klingelte. Er holte es aus seiner Hemdtasche, keine Nummer
auf dem Display. Er meldete sich mit einem knappen »Ja«.
»Sie haben mich vorhin angerufen und nach der Sittler gefragt.
Tut mir leid, wenn ich so kurz angebunden war, aber bei
uns haben die Wände Ohren und vielleicht auch die Telefone.
Deshalb rufe ich von einer Telefonzelle aus an. Ich würde mich
gerne mit Ihnen treffen, allerdings unter der Voraussetzung, dass
keiner Ihrer Mitarbeiter meinen Namen erfährt. Sagen wir heute
Abend um neun?«
»Sie haben mein Wort. Und ja, gerne. Wo?«
»Kommen Sie ins Guantanamera, Teichhausstraße 53 in
Darmstadt. Ich habe einen Tisch reserviert. Bis nachher.«
Der Anrufer legte auf, ohne eine Entgegnung von Berger abzuwarten.
Dieser steckte das Handy wieder ein und sagte, nachdem
er sich den Treffpunkt notiert hatte: »Ich habe heute Abend
eine Verabredung in Darmstadt. Der Herr, mit dem ich vorhin
gesprochen habe. Ich schätze, er hat mir einiges zu berichten,
aber er scheint auch eine Menge Angst zu haben, sonst wäre er
nicht so extrem vorsichtig.«
»Kennen wir ihn?«, wollte Kullmer wissen.
»Er hat mich gebeten, seinen Namen nicht zu nennen. Er ist
Staatsanwalt und steht kurz vor seiner Pensionierung. Hat's nie
bis nach oben geschafft.«
»Will heißen?«
»Er wurde nie Oberstaatsanwalt, obwohl er ganz sicher zu den
Besten seines Fachs gehört.«
»Und woher kennen Sie ihn?«
»Lange Geschichte, unwichtig. Ich werde sehen, was er mir
zu sagen hat, und Sie das morgen wissen lassen. Ach ja, unsere
Kollegen von der Spusi haben diese ganzen Ausdrucke gemacht.
Darunter befindet sich auch das schon heute Morgen erwähnte
Adressbuch. Auch wurden die letzten ein- und ausgehenden Telefonate
sowohl vom Festnetz als auch vom Mobiltelefon angefordert,
sie müssten eigentlich längst hier sein. Aber Sie können
sich ja schon mal über das Adressbuch hermachen. Sind nur etwa
achtzig Seiten.«
Durant kniff die Augen zusammen und sagte: »Achtzig Seiten?
Zeigen Sie mal her!«
Berger schob die Blätter über den Tisch und
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