Das Todeskreuz
ins Bett, ohne sich zu waschen. Er würde
am Morgen duschen. Marcia lag auf der Seite, das Gesicht ihm
zugewandt. Sie atmete kaum hörbar, und am liebsten hätte er sie
gestreichelt. Doch er wollte sie nicht wecken. Er verschränkte
stattdessen die Hände hinter dem Kopf und starrte an die Decke,
bis ihm irgendwann, es war schon Morgen und die Dämmerung
brach an, die Augen zufielen.
Montag, 22.25 Uhr
Peter Brandt sah die Frankfurter davonfahren und sagte
zu Andrea Sievers: »Kommst du mit, wenn ich Frau Buchmann
die gute Nachricht überbringe? Ist nur 'ne Frage, aber ich könnte
Unterstützung gebrauchen.«
Andrea holte tief Luft, überlegte und meinte: »Ich muss morgen
sehr früh raus und ...«
»Na und? Ich doch auch«, sagte er mit diesem typischen Blick,
in den sie sich vor Jahren verliebt hatte, der ihr aber längst kein
Kribbeln im Bauch mehr verursachte. »Dauert bestimmt nicht
lange, eine ausführliche Befragung folgt morgen. Und du könntest
danach bei mir übernachten.«
»Ausnahmsweise«, gab Andrea Sievers nach, auch wenn sie
viel lieber nach Hause gefahren wäre. »Aber ich bin schon den
ganzen Tag verdammt müde, nur damit du's weißt«, sagte sie und
signalisierte ihm damit eindeutig, dass sie zwar bei ihm schlafen,
aber dass sonst nichts laufen würde. Sie hatte etliche Sachen bei
ihm, Schminkzeug, eine Zahnbürste, ein paar Kleidungsstücke.
Sie hätte lieber in ihrem eigenen Bett geschlafen, doch sie wollte
Brandt nicht schon wieder vor den Kopf stoßen, zumindest nicht
heute. Es war nicht seine Schuld allein, dass es zwischen ihnen
nicht mehr so lief wie noch vor einem Jahr, es lag auch an ihr,
ihrem Unternehmungsgeist und ihrer Spontaneität, Eigenschaften,
die sie bei ihm so vermisste. Er mochte es gemütlich,
am liebsten daheim vor dem Fernseher, eine Flasche Bier in der
Hand, die Beine hochgelegt. Sie hatte ihn gern, aber ob sie ihn
noch liebte, diese Frage hatte sie sich in letzter Zeit häufig gestellt.
Sicher, er war ihr Typ, er war ein liebevoller Partner, er
nahm das Leben und seinen Beruf ernst, er war zuverlässig und
alles andere als aufdringlich. Und er hatte breite Schultern, an die
sie sich gerne anlehnte. Er konnte zuhören, ohne gleich mit irgendwelchen
Ratschlägen aufzuwarten, er war ein Ruhepol. Leider
oft zu ruhig. Und allein die Vorstellung, den Rest ihres Lebens
in dieser Eintönigkeit des Alltags zu verbringen, bereitete
ihr Kopfschmerzen. Sie wollte leben, etwas erleben, hin und wieder
ausgehen, tanzen, sich austoben und einfach sie selbst sein,
was sie aber bei ihm nicht konnte. Und da waren auch noch seine
Töchter, zu denen sie schon lange keinen Zugang mehr fand. Bei
passender Gelegenheit würde sie mit ihm reden und ihm ihre Bedenken
mitteilen, auch wenn es schwer für sie und ihn werden
würde. Aber sie würde einen Schlussstrich ziehen, bevor es zu
spät war. Tut mir leid, Peter, dachte sie, aber ich liebe dich nicht
mehr, du bist nur noch ein guter Kumpel.
Im Moment waren nur noch die Leute von der Spurensicherung
vor Ort. Andrea Sievers und Peter Brandt standen vor der
Absperrung. Sie blickte ihn von der Seite an und sah das etwas
traurige Gesicht ihres Freundes.
»Ich bin auch müde«, erwiderte er und versuchte ein Lächeln,
das aber eher verkrampft wirkte. »Komm, bringen wir das Unangenehme
hinter uns.«
»Wo wohnt sie denn?«
»Nur ein paar Minuten von hier.«
Montag, 22.40 Uhr
Brandt parkte direkt vor dem Tor des hell erleuchteten
Bungalows. »Na dann«, sagte er zu Andrea Sievers. Sie stiegen
aus, er klingelte. Die Außenbeleuchtung ging an, und eine das
Alter betreffend schwer zu schätzende Frau kam heraus.
»Brandt, Kripo Offenbach.« Er hielt seinen Ausweis hoch und
trat näher. »Frau Buchmann?«
»Ja«, antwortete sie mit leicht zittriger Stimme, während sie
den Ausweis näher betrachtete.
»Dürfen wir reinkommen.«
»Was ist mit meinem Mann?«, fragte sie, die Arme wie zum
Schutz unter dem gewaltigen Busen verschränkt. Sie war klein
und zierlich, hatte dunkelblondes, kurzes Haar und schien Dauergast
in einer Schönheitsklinik zu sein. Ihre Lippen waren unnatürlich
voll, das Gesicht war stark geschminkt und hatte etwas
Maskenhaftes, fast Groteskes, die riesige Oberweite passte nicht
zum restlichen Erscheinungsbild. Sie trug eine eng anliegende
schwarze Bluse und eine schwarze Jeans und war barfuß mit
grellrot lackierten Fußnägeln.
»Können wir drin
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