Das Todeskreuz
lag etwas in der Luft, das er nicht beschreiben konnte,
aber ihm kam es vor wie elektrische Funken, die überall um ihn
herum waren. Frau Buchmann hingegen passte in dieses Haus.
Sie hatte ausdruckslose Augen, maskenhafte Gesichtszüge, ein
Großteil ihres Körpers bestand aus Silikon, es gab wohl kaum
eine Stelle, an der ein Chirurg noch nicht das Skalpell angesetzt
hatte, obgleich er sie bei näherem Betrachten auf nicht älter als
Mitte dreißig schätzte.
»Sie wohnt in Sprendlingen. Sie hat mich um acht abgeholt,
und später sind wir zu ihr gefahren. Ich war heute Morgen um
zehn wieder hier zu Hause«, antwortete sie mit einem süffisanten
Unterton und versuchte dabei ebenso süffisant zu lächeln, was ihr
jedoch nach zahlreichen Liftings und Botoxunterspritzungen
nicht gelang, sondern nur grotesk wirkte.
»Wir müssen auch mit Ihrer Schwester sprechen«, sagte
Brandt förmlich kühl. Er mochte Frau Buchmann von Sekunde
zu Sekunde weniger, womöglich auch, weil sie alles andere als
den Eindruck einer Frau machte, die soeben die Nachricht erhalten
hatte, dass ihr treusorgender und liebevoller Mann, wie sie
ihn eben umschrieben bezeichnet hatte, einem Kapitalverbrechen
zum Opfer gefallen war. »Wenn Sie uns bitte ihre Anschrift geben
würden und auch, in welcher Bar Sie sich gestern Abend
aufgehalten haben.«
»Wozu das alles? Finden Sie lieber den Mörder meines Mannes
«, fuhr sie Brandt an.
»Das werden wir, aber vielleicht kann uns Ihre Schwester ja
dabei behilflich sein. Oder waren Sie gar nicht mit Ihrer Schwester
unterwegs?«
»Prüfen Sie das doch nach! Hier ist die Adresse und auch eine
Karte der Bar. Etliche Zeugen werden Ihnen bestätigen können,
dass wir dort waren.«
»Danke. Wir werden noch Fragen haben, aber das hat Zeit bis
morgen. Nein, Moment, eine Frage hätte ich doch noch: Ist Ihr
Mann immer mit dem Auto gefahren? Es gibt doch seit einiger
Zeit eine superschnelle Bahnverbindung nach Köln.«
»Er liebte es, Auto zu fahren. Und mit Bahnverbindungen kenne
ich mich nicht aus, ich nehme in der Regel das Flugzeug.«
Brandt gab Sievers ein Zeichen, sie erhoben sich gemeinsam,
und er sagte: »Hat Ihr Mann ein Arbeitszimmer?«
»Ja.«
»Ich möchte kurz einen Blick hineinwerfen. Und dann hätte
ich ganz gerne den Schlüssel.«
»Was soll das? Das ist doch nicht normal.«
»Frau Buchmann, wir möchten den Fall so schnell wie möglich
klären, was doch sicherlich auch in Ihrem Interesse ist.«
»Mein Gott, ja, das will ich auch. Trotzdem finde ich Ihr Verhalten
nicht angemessen.«
»Das haben uns schon andere gesagt, ich kann damit leben.«
Brandt und Sievers hielten sich noch fünf Minuten in dem
Haus auf, schlossen das Arbeitszimmer ab und verabschiedeten
sich.
Im Auto sagte er: »Die Alte ist kalt wie 'ne Hundeschnauze.
Der ist es doch scheißegal, was mit ihrem Mann passiert ist. Die
hat'n Lover, da wett ich drauf.«
»Und er hatte eine Geliebte«, erwiderte Andrea Sievers lapidar.
»Aha. Und was veranlasst dich zu dieser Annahme?«
»Intuition. Bring mich zu meinem Wagen.«
»Aber du kommst mit zu mir, oder?«
»Hab ich doch gesagt, obwohl ich eigentlich lieber bei mir
schlafen würde.«
Und wenn du ganz ehrlich bist, würdest du am liebsten gar
nicht mehr bei mir schlafen, dachte er, ohne es auszusprechen.
Stattdessen sagte er: »Die Buchmann, wie oft hat die wohl schon
unterm Messer gelegen?«
»Zu oft. Was finden Frauen schön daran, vor allem aber, was
finden Männer schön daran? Ihre Titten sind mindestens vier
Nummern zu groß, ich schätze mal 85 DD, und das bei einer
Körpergröße von maximal einssechzig. Weißt du, wie sich so
was anfühlt?«
»Nee, woher denn?«
»Ich hab schon einige solcher Damen auf den Tisch gekriegt,
einfach schrecklich. Solche Dinger sind unnatürlich fest und ...
Ist einfach schwer zu beschreiben. Ich hatte mal eine auf dem
Tisch, die hatte auf jeder Seite achthundert Gramm Silikon eingebaut.
Das ist der absolute Wahnsinn. Die Buchmann hat mindestens
fünfhundert Gramm in jeder Brust, wahrscheinlich sogar
mehr. Was das allein für den Rücken bedeutet. Und diese Lippen!
Was ist daran bloß schön?«
»Mich brauchst du nicht zu fragen, für mich sieht die wie eine
Hexe aus. Ich mag's lieber natürlich. Wie bei dir.«
Früher hätte sie eine entsprechende Bemerkung auf den letzten
Satz hin gemacht, diesmal unterließ sie es und sagte mit undurchdringlicher
Miene: »Eins kannst du mir
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