Das Todeskreuz
»Das war sie eben. Sie hat mir ins Ohr
gesäuselt, dass du sie bitte anrufen mögest. Sie hatte einen Termin
...«
»Ist sie in ihrem Büro?«
»Ich geh davon aus. Hast du schlechte Laune?«
»Ganz im Gegenteil. Wo sind Nicole und die andern?«
»Na wo wohl? Bei Buchmann zu Hause und nehmen sein Arbeitszimmer
auseinander. Wir haben verdammtes Glück, dass wir
den Fall überhaupt bearbeiten dürfen. Die Klein wollte eigentlich,
dass das LKA übernimmt, allein schon, weil es sich um einen
Richter handelt. Es hat mich eine Menge Überredungskunst gekostet,
erst mal uns die Sache zu überlassen. Und jetzt raus mit der
Sprache, was war in Frankfurt, dass du so außer Atem bist?«
»Später, ich fahr gleich rüber zur Klein. Nur so viel - da steckt
eine Riesensauerei dahinter, so was hab ich noch nicht erlebt. Da
sind vor ein paar Jahren Sachen passiert, da schüttelst du nur mit
dem Kopf. Ich sag dir, selbst wenn die Jungs und Mädels aus
Wiesbaden übernommen hätten, ich hätt mich da nicht rausdrängen
lassen. Wer weiß, was da alles unter den Tisch gekehrt worden
wäre.«
»Du sprichst in Rätseln, mein Freund.«
»Dann nimm schon mal den Stift in die Hand und versuch sie
zu lösen. Ansonsten helf ich dir später auf die Sprünge. Ich hau
gleich wieder ab, aber dass am Freitag in Frankfurt eine ehemalige
Staatsanwältin aus Darmstadt umgebracht wurde und am
Sonntag ein ehemaliger Richter aus Darmstadt, das gibt doch
sehr zu denken, oder? Kennst du eigentlich den Kollegen Berger
vom K 11 in Frankfurt?«
»Sicher, warum?«
»Wie gut?«
»Wir sind uns schon einige Male über den Weg gelaufen, bei
Seminaren zum Beispiel.«
»Und wie ist er so?«
»Du bist doch der große Menschenkenner unter uns. Er ist
ungefähr so wie ich, loyal, kritisch, integer, fair, wie ich eben«,
sagte Spitzer mit breitem Grinsen.
Brandt war nicht zu Scherzen aufgelegt. »So ähnlich schätz
ich ihn auch ein, obwohl ich ihn nicht als Boss haben möchte.
Sei's drum, er hat Informationen auf den Tisch gelegt, die ich
natürlich heute Morgen noch nicht haben konnte. Ich sag dir, das
ist so mit das Heißeste, was wir je hatten. Ich brauch deine volle
Rückendeckung in der nächsten Zeit. Details kommen später, ich
rausch ab zur Klein. Und du finde mal raus, wann Buchmann
immer im Hotel eingecheckt hat. Außerdem brauch ich eine Telefonliste
aller Gespräche, die Buchmann am Sonntag sowohl
vom Festnetz als auch vom Handy aus geführt beziehungsweise
empfangen hat.«
Ohne eine Erwiderung abzuwarten, huschte Brandt nach
draußen, rannte die Treppen hinunter und setzte sich in seinen
Wagen. Keine fünf Minuten später hielt er vor dem Gebäude der
Staatsanwaltschaft. Er wusste noch nicht, wie er das Gespräch
beginnen würde, doch eins war sicher, Elvira Klein würde aus
allen Wolken fallen. Und irgendwie hatte er schon jetzt Mitleid
mit ihr, auch wenn sie oft wie Hund und Katze und deshalb
etliche Male aneinandergeraten waren. Aber er hatte in letzter
Zeit immer häufiger auch eine andere, verletzliche, fast zarte
Seite an ihr entdeckt. Mal schauen, dachte er, während er zu
ihrem Büro ging, an die Tür klopfte und ohne ein »Herein«
abzuwarten eintrat.
Dienstag, 10.55 Uhr
Julia Durant kehrte in Bergers Büro zurück, der ihr einen
fragenden, aber auch neugierigen Blick zuwarf.
»Gab's noch etwas Wichtiges zu besprechen?«
»Nein, ich wollte nur klarstellen, dass Herr Brandt und ich ab
sofort ein Team bilden, da Herr Hellmer wohl für längere Zeit
ausfallen wird.«
»Hab ich da etwas nicht mitgekriegt?«, fragte Berger und
lehnte sich zurück.
Kullmer merkte, dass Durant Unterstützung brauchte, und
sagte schnell: »Frank hatte gestern einen Totalabsturz. Er hat sich
in einem Hotel eingemietet und sinnlos betrunken. Er hatte zum
Glück sein Handy an, so dass wir ihn orten konnten. Er ist jetzt
im Krankenhaus und wird wohl hinterher zum Entzug gehen.
Kann jedem passieren, oder?«, fragte Kullmer fast provokativ,
ohne Berger dabei anzuschauen.
»Ja, kann jedem passieren«, erwiderte dieser, ohne auf die Anspielung
seine eigene Vergangenheit betreffend zu reagieren.
»Ich hoffe, er fängt sich wieder ...«
»Das wird er, wenn wir ihm helfen«, sagte Kullmer. »Er hat
eine schwere Zeit hinter sich und wohl einige Sachen nicht auf
die Reihe gekriegt.«
»Wo liegt er?«
»Höchst, kann aber auch sein, dass er bald nach Hofheim verlegt
wird. Doris und ich machen uns
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