Das Todeskreuz
zurück.
»Beides. Sie sind länger in dem Job.«
»Wir hatten einmal vor Jahren eine Korruptionsgeschichte,
die war aber harmlos im Vergleich zu der hier. Und Schicksale,
mein Gott, da könnte ich ganze Bücher drüber schreiben. Und
erzählen Sie mir nicht, dass Sie das kaltlässt.«
»Hab ich das gesagt oder angedeutet? Fahren wir zu diesem
Gebhardt.« Und bevor sie einstieg: »Wissen Sie, was ich mir am
meisten wünsche?«
»Nein, aber Sie werden's mir bestimmt gleich verraten.«
»Ich wünsche mir, dass wenigstens einer der drei so von seinem
schlechten Gewissen geplagt wird, dass er gesteht, an den
Morden beteiligt gewesen zu sein. Und ich wünsche mir, dass er
diese Aussage zu Protokoll gibt und seine Kumpane mitbelastet.
Hab ich was vergessen?«
»Ja, nämlich, dass die Namen Sittler, Buchmann und noch einige
andere fallen. Ich glaube, das war's. Denken Sie positiv,
manchmal werden Wünsche auch wahr.«
Brandt fuhr hinter Durant nach Bonames. Sie kamen an der
Bundesbank vorbei, bogen an der Ecke Marbachweg/Eckenheimer
Landstraße links ab und waren kurz darauf auf der A 661.
Kaum eine Viertelstunde später, es war fünf Minuten nach vier,
erreichten sie die angegebene Hausnummer. Sie fanden jeder einen
Parkplatz auf der Straße direkt vor einem für Anwohner gebauten
Parkhaus und gingen schweigend zum Eingang. Es war
eine triste Gegend, die durch die grauen Wolken noch trister
wirkte. Auf der einen Straßenseite Ein- und Zweifamilienhäuser
und Bungalows, auf der andern Hochhäuser, die schon außen einen
sehr unansehnlichen und teils verrotteten Eindruck machten.
Dabei wusste Durant, dass sich in vielen dieser Hochhäuser nur
Eigentumswohnungen befanden, von denen aber die meisten vermietet
waren. Wenn man nach oben blickte, vor allem auf die
Balkone, sah man Wäschetrockner, Satellitenschüsseln, an vielen
Fenstern fehlten die Vorhänge. Die Fassaden waren von Wind
und Regen ausgewaschen und hätten längst saniert werden müssen.
Ben-Gurion-Ring, einer der sozialen Brennpunkte in Frankfurt.
Sie kannte Schutzpolizisten, die nachts hier Streife fuhren
aber selten ausstiegen, nur in äußersten Notfällen. Die Arbeitslosenquote
war in diesem Viertel überdurchschnittlich hoch, die
Zahl der Kriminellen ebenfalls.
Als sie vor dem Haus standen, sagte Durant: »Es würde mich
wundern, wenn wir ihn antreffen würden.«
»Er ist zu Hause, in solchen Häusern sind die Leute meist zu
Hause«, entgegnete Brandt gelassen, warf einen langen Blick auf
die Klingelwand, drückte auf den Knopf und wartete, bis sich
eine männliche Stimme meldete.
»Paketdienst«, sagte Brandt wie selbstverständlich.
»Hab nix bestellt.«
»Wo soll ich's dann abgeben? Sie sind doch Herr Gebhardt?
«
»Fünfter Stock, Aufzug ist aber kaputt.«
Brandt blinzelte Durant zu, die sagte: »Gehen Sie schon mal
vor. Wenn er uns beide auf einmal sieht, knallt er uns die Tür vor
der Nase zu.«
»Meinetwegen. Bis gleich.«
Sie wartete einen Moment und betrat wenige Sekunden später
einen dunklen, dreckigen Hausflur, in dem es nach einem Gemisch
aus Gekochtem und Fäkalien stank. Die Wände waren beschmiert
und mit Graffiti übersät, obszöne Sprüche dicht nebeneinander.
Drei junge Männer unterhielten sich lautstark und verstummten,
als sie Durant erblickten. Einer machte eine Bemerkung
in ihre Richtung, indem er sagte: »Bös krass, die Chaya
.
Die würd isch gern ma weghaun.«
Sie lachten dreckig. Durant, die bereits auf der ersten Stufe
stand, drehte sich zu ihnen um und sagte mit ihrem charmantesten
Lächeln: »Bist du net mein Ding, Chabo. Musst du erst lernen
höflisch zu sein.«
Brandt hörte vom ersten Stock aus, was unter ihm vorging. Er
blieb stehen und wartete ab, ohne sich einzumischen. Er wollte
sehen, wie Durant die Situation meisterte.
»Net so schnell, Tussi. Was soll'n des?«, sagte der Angesprochene
und baute sich vor ihr auf. Er war einen halben Kopf größer,
hatte dichtes schwarzes Haar und fast schwarze Augen, in
denen ein gefährliches Feuer loderte. »Bist du hier, um mich anzufixen?
«
»No, Alder«, antwortete sie ruhig und sah ihm direkt in die
Augen, »aber geb isch dir guten Tipp, leg disch net mit jedem an,
weiß du nämlisch net, was passiert. Und außerdem bestimm isch,
von wem isch misch weghaun lass. Und jetzt gehst du schön brav
zu deinen kleinen Chabos zurück, okay, Alder?«
Der junge Mann lachte auf und entgegnete, wobei er ständig
Weitere Kostenlose Bücher