Das Tor ins Nichts
Bewegung klapperte und klirrte. Aber dieser lächerliche Eindruck hielt nur Sekundenbruchteile vor, danach geschah etwas Sonderbares. Es war, als sähe ich Henk DeVries plötzlich in einem anderen Licht; er wirkte nicht länger lächerlich auf mich, sondern bedrohlich. Und er kam mir seltsam bekannt vor, als wäre ich ihm schon früher begegnet. Aber wo sollte das gewesen sein?
»Das ist … sehr interessant«, sagte ich verlegen. »Was stellt das dar?«
DeVries lächelte humorlos und kam mit kleinen, schlurfenden Schritten auf mich zu. Ich sah, daß seine Hände dürr und von der Gicht entstellt waren.
»Spielen Sie nicht den Narren, Robert«, sagte er freundlich.
»Ich hätte Sie nicht kommen lassen, wenn Sie nicht genau wüßten, was das ist. Oder einmal werden wird.« Er ließ sich auf einen der freien Stühle sinken und bedeutete mir mit einer Geste, es ihm gleich zu tun. Ich gehorchte. Meine Verwirrung steigerte sich allmählich zu tiefer Beunruhigung.
Die Tür wurde erneut geöffnet, und Pri kam herein und trug Getränke auf dünnen, aromatisch riechenden Tee für ihren Vater, und pechschwarzen, starken Kaffee für mich. DeVries lächelte sanft.
»Sie sehen, ich habe mich über Sie informiert, mein Freund«, sagte er. »Das ist doch Ihr Lieblingsgetränk, oder?«
Ich kostete den Kaffee und blickte ihn erstaunt an. Der Kaffee war stark wie die Hölle und ganz genau nach Marys Rezept aufgebrüht. Es gibt nur sehr wenige Menschen, die eine winzige Prise Salz an den Kaffee tun …
»Laß uns allein, mein Kleines«, sagte DeVries, an Pri gewandt. Danach trank er einen großen Schluck von seinem Tee, wartete, bis sich die Tür hinter seiner Tochter geschlossen hatte, und wandte sich wieder an mich.
»Sie hatten eine angenehme Reise?« fragte er.
Ich nickte, dann schüttelte ich den Kopf. Woher kannte ich ihn? »Nein«, sagte ich. »Um ehrlich zu sein, es ist so ziemlich alles schiefgegangen, was nur schiefgehen kann. Aber jetzt bin ich ja da.«
DeVries lächelte kalt. »Ja«, antwortete er. »Und? Gefällt Ihnen, was Sie sehen?«
Verlegen machte ich eine Bewegung, die eine Mischung aus Nicken und Achselzucken war. »Es ist … sehr interessant«, sagte ich ausweichend.
»Sie lügen«, antwortete DeVries. »Es ist weder interessant noch in der geringsten Weise gut. Aber ein wenig Theaterdonner gehört nun einmal zum Geschäft.« Er ließ seine gichtige rechte Hand auf sein Kettenhemd klatschen. »Mir gefällt dieses alberne Kostüm so wenig wie Ihnen, mein Junge. Aber möglicherweise werde ich es nicht mehr sehr lange tragen müssen, sollten wir zu einer Einigung gelangen.«
»Einigung? Worüber?«
Mijnheer DeVries schien kein sehr geduldiger Mensch zu sein, denn sein Gesicht verdüsterte sich für eine Sekunde. Dann lächelte er wieder. »Mister Craven«, sagte er. »Wir können uns das ganze Herumgerede weiß Gott sparen. Wie gesagt, ich habe gewisse Erkundigungen über Sie eingezogen, ehe ich Sie hierherbat. Sie sind Robert Craven, der Sohn des gleichnamigen Hexers, der vor hundert Jahren in London lebte. Und Sie sind einer der wenigen Eingeweihten, die es heute noch gibt.
Sie wissen um das Geheimnis der Großen Alten, und in Ihrem Besitz befindet sich das einzige noch existierende Exemplar des Necronomicons zusammen mit einer ganzen Anzahl anderer, kaum weniger wertvoller Dinge, die Sie von Ihrem Vater geerbt haben.«
Ich schwieg einige Sekunden. DeVries war wirklich gut informiert. Besser, als mir recht war. Aber ich traute ihm nicht.
Eine innere Stimme warnte mich. DeVries war gefährlich, viel, viel gefährlicher, als ich bisher angenommen hatte. Ich bedauerte es bereits, überhaupt hierhergekommen zu sein.
»Selbst wenn es so wäre«, sagte ich abweisend, »wieso sollte ich ausgerechnet Ihnen die Wahrheit anvertrauen, Mijnheer DeVries? Ich kenne Sie nicht einmal.«
»Weil ich ebensoviel weiß wie Sie«, antwortete DeVries.
»Vielleicht mehr, denn ich habe mein ganzes Leben lang nach den Geheimnissen der Großen Alten gesucht. Sie und ich zusammen, Robert, wir wären unschlagbar.«
»Unschlagbar?« Ich nippte an meinem Kaffee, um Zeit zu gewinnen, und sah ihn scharf über den Rand der Tasse hinweg an. »Worauf wollen Sie hinaus, DeVries?«
»Das wissen Sie ganz genau«, antwortete DeVries unwillig.
»In unser beider Besitz befindet sich ein Schatz von Wissen, dessen wahren Wert keiner von uns bisher richtig begriffen hat.
Wir sollten zusammenarbeiten.«
»Und wie soll diese …
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