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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hand an.
    Dieser DeVries schien wirklich ein sonderbarer Zeitgenosse zu sein. Aber andererseits war ich fast erleichtert, enthob mich doch seine überfallsartige Einladung der Peinlichkeit, Dreistmeer entweder unter einem fadenscheinigen Vorwand absagen oder ihn unter einem ebenso fadenscheinigen Vorwand mitnehmen zu müssen. So verließ ich mein Zimmer, ging in die Halle hinunter und wollte die Rezeption ansteuern, um mich nach dem Wagen zu erkundigen, als ich meinen Namen rufen hörte. Ich blieb stehen, sah mich verwundert um und entdeckte eine dunkelhaarige, sehr schlanke Schönheit, die neben der gläsernen Eingangspforte stand und mit beiden Armen winkte, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. War das etwa der Fahrer, von dem DeVries gesprochen hatte?
    Verwundert ging ich auf sie zu, legte fragend den Kopf schräg und sagte: »Ja?«
    Ein freundliches Lächeln überzog das Gesicht der jungen Frau nein, korrigierte ich mich in Gedanken, des jungen Mädchens. Sie war keinesfalls so alt wie ich, dabei so schlank, daß ich Angst gehabt hätte, sie zu zerbrechen, hätte ich sie angerührt und das mit Abstand hübscheste Ding, das mir je untergekommen war. Ihr dunkles Haar war kurz geschnitten und lag eng wie eine schwarze Kappe um ihre Schläfen, was ihr etwas Knabenhaftes gab, ohne ihr dadurch auch nur einen Deut von ihrer Weiblichkeit zu nehmen. Sie trug ein einfaches schwarzes Kleid und als einziges Schmuckstück eine dünne Goldkette um das Handgelenk, an dem ein Rubinanhänger prangte. Ihre Augen waren groß und so dunkel wie ihr Haar.
    »Haben Sie mich jetzt lange genug angestarrt?« fragte sie nach einigen Sekunden, und in perfektem Englisch. Sie lächelte bei diesen Worten, und ich wußte auch, daß sie sie nicht böse gemeint hatte, sondern allerhöchstens in freundschaftlichem Spott. Trotzdem fuhr ich fast erschrocken zusammen und senkte verlegen den Blick.
    »Verzeihung«, sagte ich. »Ich war nur …«
    »Überrascht?« Sie lachte. »Das sind die meisten, wenn sie mich sehen. Mein Vater macht sich einen Spaß daraus, mich als seinen Fahrer anzukündigen.«
    »Ihr Vater?«
    »Ich bin Henk DeVries’ Tochter, ja«, antwortete sie und streckte mir die Hand entgegen. »Ich bin Pri. Sie müssen Robert sein.«
    Automatisch ergriff ich die dargebotene Hand. Ein sonderbarer, prickelnder Schauer durchrieselte mich, als ich sie berührte. Ihre Hand war leicht wie eine Feder und so zart, daß ich mich nicht getraute, sie wirklich zu drücken.
    »Kommen Sie, Robert«, sagte Pri. »Ich parke draußen direkt unter einem Halteverbotsschild. Wir können im Wagen reden.
    Sie sind doch fertig?«
    Rasch verließen wir das Hotel. Pri wandte sich nach rechts, winkte mir ungeduldig mit der Hand, mich zu beeilen, und steuerte den größten Wagen an, den ich jemals gesehen hatte
    einen nachtschwarzen Mercedes 600, halb so lang wie die Straße und mit abgedunkelten Scheiben. Mijnheer DeVries wußte zu leben, das mußte der Neid ihm lassen.
    Obwohl wir uns beeilten, kamen wir zu spät. Unter dem Scheibenwischer des Mercedes prangte bereits eine durchsichtige Plastiktüte mit einem Strafzettel. Pri schüttelte den Kopf, grinste plötzlich und zog das Protokoll unter dem Scheibenwischer heraus. Verblüfft beobachtete ich, wie sie sich rasch und verstohlen umsah, dann zu dem hinter ihrem Wagen geparkten Fahrzeug ging einer rostzerfressenen Ente, die mit zwei Rädern auf dem Bürgersteig stand und die Plastiktüte kurzerhand unter deren Scheibenwischer placierte. Als sie zurückkam, grinste sie lausbubenhaft. »Vielleicht bezahlt er es ja, ohne auf die Nummer zu achten«, sagte sie fröhlich, riß den Wagenschlag auf und machte eine einladende Handbewegung.
    Verdattert stieg ich in den schweren Wagen, beugte mich über den Fahrersitz und entriegelte die Tür. Pri bedankte sich mit einem flüchtigen Kopfnicken, startete den Motor und fuhr los, ohne auch nur einen Blick in den Rückspiegel zu werfen.
    Hinter uns quietschten Bremsen. Ein zorniges Hupen erklang.
    Pri lächelte und trat das Gaspedal bis zum Boden durch. Der tonnenschwere Wagen schoß mit einer Beschleunigung los, die meinem Porsche alle Ehre gemacht hätte. Ich duckte mich ein wenig in die Polster, als sie nacheinander drei Kleinwagen zum Ausweichen zwang und mit unverminderter Geschwindigkeit
    und niedergedrückter Hupe über einen Zebrastreifen schoß.
    »Fahren Sie immer so?« fragte ich vorsichtig.
    Pri schüttelte den Kopf. »Nur, wenn ich es eilig habe«,

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