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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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diesen Bildern und Stickereien verborgen waren, prangten barbarische Waffen Schwerter, Morgensterne und eine Menge anderer altertümlicher Mordinstrumente. Rechts und links der Treppe standen mannshohe, silbern blitzende Ritterrüstungen. Die dünnen Klänge sphärischer Musik durchdrangen die Luft, und ich gewahrte einen schwachen, aber sehr aufdringlichen Geruch: Weihrauch.
    »Nehmen Sie es nicht zu ernst, Robert«, sagte Pri, der meine Verblüffung auch diesmal nicht entgangen war. »Mein Vater ist nun einmal der Meinung, daß gewisse Äußerlichkeiten dazugehören.«
    »Aha«, sagte ich in einer Art, die Pris Freundlichkeit um mehrere Grade abkühlen ließ. Aber sie sagte nichts darauf, sondern deutete mir nur mit einer neuerlichen Handbewegung, ihr zu folgen, und eilte die Treppe ins erste Stockwerk hinauf.
    Dort oben begegneten wir auch anderen menschlichen Wesen DeVries’ Jüngern (oder Templern, wie er sie nannte), auf den ersten Blick ganz normale Zeitgenossen, die allerdings alle auf die gleiche Weise wie Pri gekleidet waren: einfache schwarze Gewänder und als einzigen Farbtupfer die Goldkette mit dem Rubinanhänger am rechten Handgelenk. Und etwas war in ihrem Blick, das mir nicht gefiel. Eine Art von Furcht, die nicht offen zum Ausdruck kam, aber unübersehbar war. Ich beschloß, Mijnheer DeVries nicht zu mögen.
    Pri würdigte die Templer keines Blickes, sondern führte mich über eine weitere Treppe und durch ein ganzes Labyrinth von kleineren Räumen und Gängen.
    Endlich erreichten wir einen kleinen Raum, der ein Turmzimmer sein mußte er war sechseckig, und in vier der sechs Wände waren kleine, spitze Fenster eingelassen, deren bunte Bleiverglasung alle möglichen mystischen Symbole zeigten
    von Drudenfüßen über Hexagramme bis hin zu Zeichen, die ich nie zuvor gesehen hatte. Auch auf dem Boden war ein Pentagramm gemalt mit phosphoreszierender weißer Farbe, was der Zeichnung in dem hier herrschenden Halbdunkel etwas Unheimliches gab. DeVries war offensichtlich nicht nur ein Scharlatan, sondern auch reichlich verrückt.
    »Warten Sie hier, Robert«, sagte Pri. »Ich hole meinen Vater.« Sie verschwand, ehe ich sie zurückhalten konnte.
    Schaudernd sah ich mich in der kleinen Turmkammer um.
    Seine Möblierung war kärglich: Es gab einen runden Tisch mit zwei Stühlen, der wie sollte es auch anders sein? genau im Zentrum des Pentagramms stand, dazu eine schwere, eisenbeschlagene Truhe und zwei kleine Borde an der Wand, auf denen die unabdinglichen Kandelaber standen; Mijnheer DeVries schien nicht viel von der Erfindung des elektrischen Stromes zu halten.
    Auf dem Tisch lag ein Buch. Neugierig beugte ich mich darüber, schlug die erste Seite auf und glaubte meinen Augen nicht zu trauen.
    Es war das Necronomicon.
    Ein eisiger Schauer lief über meinen Rücken. Das war doch unmöglich! Das einzige Exemplar dieses entsetzlichen Buches befand sich in meinem Besitz, sicher verwahrt hinter dem zehn Zoll starken Panzerstahl meines Safes, und zusätzlich geschützt durch gewisse magische Kräfte, die kein lebendes Wesen gegen meinen Willen überwinden konnte.
    Zitternd vor Erregung begann ich zu blättern. Und nach einer Weile erkannte ich meinen Irrtum. Es war nicht das ganze Necronomicon. Es handelte sich um eine Kopie, eine offensichtlich in langer mühseliger Handarbeit angefertigte Abschrift, die aber sehr unvollständig geblieben war manche Seiten waren ganz leer, auf anderen befanden sich nur flüchtige, mit sehr vielen Fragezeichen versehene Notizen, und einiges war, jedenfalls soweit ich das aus dem Gedächtnis zu sagen vermochte, auch einfach falsch. Ich spürte eine deutliche Erleichterung. Was hier vor mir lag, das war gefährlich genug
    aber eine vollständige Kopie des Necronomicons in den Händen eines Verrückten oder gar Verbrechers wie DeVries
    unvorstellbar. »Gefällt Ihnen, was Sie da sehen, Robert?«
    fragte eine Stimme hinter mir.
    Ich fuhr zusammen, klappte das Buch erschrocken wieder zu und drehte mich herum. Hinter mir stand Henk DeVries.
    Ich erkannte ihn, ohne daß es eines Wortes der Erklärung bedurft hätte. Er war eine gute Handspanne kleiner als ich und steckte in einem geradezu lächerlichen Kostüm: Unter dem weißen Leinenmantel eines Tempelritters trug er ein Kettenhemd; sein magerer, offensichtlich kahler Schädel wurde von einer Kappe aus dem gleichen Metallgeflecht eingehüllt, und an seiner Seite prangte ein fast anderthalb Yards langes Schwert, das bei jeder

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