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Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Titel: Das Tor zur Hölle - Hellraiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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selbst fehlte jedoch jede Spur.
    Sie wandte sich wieder zur Tür um – und da war er und verstellte ihr den Weg. Es waren nur wenige Minuten vergangen, seit sie gesehen hatte, wie er sich über den Toten gebeugt hatte, um die Energie aus ihm herauszusaugen, doch in dieser kurzen Zeitspanne hatte er sich vollkommen verändert. Wo zuvor nur verdorrte Knorpel gewesen waren, sah man nun anschwellende Muskeln; die Landkarte seiner Arterien und Venen, die pulsierten von gestohlenem Leben, zeichnete sich ab. Auf der nackten Kugel seines Schädels war sogar ein leichter Flaum zu erkennen, etwas seltsam vielleicht, wenn man das Fehlen der Haut bedachte.
    Nichts davon machte seinen Anblick auch nur um einen Deut erträglicher. Tatsächlich war er in vieler Hinsicht sogar noch schlimmer geworden. Zuvor war kaum etwas Erkennbares an ihm gewesen, doch nun waren überall Fetzen der Menschlichkeit auszumachen, was die katastrophale Natur seiner Verunstaltung nur noch mehr unterstrich.
    Doch es kam noch schlimmer. Er sprach, und wenn er sprach, war es ohne jeden Zweifel Franks Stimme. Die gebrochenen Silben waren verschwunden.
    »Ich habe Schmerzen«, sagte er.
    Seine brauenlosen, halb geschlossenen Augen beobachteten jede ihrer Reaktionen. Sie versuchte, die Übelkeit, die in ihr aufgestiegen war, zu verbergen, doch sie wußte, daß die Tarnung unzulänglich war.
    »Meine Nerven funktionieren wieder …«, erklärte er ihr, »… und sie tun weh.«
    »Wie kann ich dir helfen?« fragte sie ihn.
    »Vielleicht … vielleicht ein Verband.«
    »Ein Verband?«
    »Hilf mir, mich zu verbinden.«
    »Wenn du das möchtest?«
    »Aber ich brauche noch mehr, Julia. Ich brauche noch einen Körper.«
    »Noch einen?« sagte sie. Hörte das denn nie auf?
    »Was haben wir denn zu verlieren?« erwiderte er und kam näher an sie heran. Seine plötzliche Nähe machte sie nervös. Er sah die Angst in ihrem Gesicht und blieb stehen.
    »Bald werde ich wieder wie früher sein …«, versprach er ihr, »und dann …«
    »Ich räume besser auf«, sagte sie und wandte den Blick von ihm ab.
    »Und dann, liebste Julia …«
    »Rory wird bald nach Hause kommen.«
    »Rory!« Er spuckte den Namen förmlich aus. »Mein geliebter Bruder! Wie in Gottes Namen konntest du je einen solchen Langweiler heiraten?«
    Sie spürte, wie Wut auf Frank in ihr aufstieg. »Ich liebe ihn«, sagte sie. Und dann, nach einer kurzen Pause, korrigierte sie sich. »Ich dachte, ich würde ihn lieben.«
    Sein Lachen ließ seinen schrecklichen Zustand nur noch deutlicher hervortreten. »Wie kannst du das glauben?« fragte er. »Er ist ein Schlappschwanz. Das ist er immer gewesen. Und das wird er auch immer sein. Er hatte nie den geringsten Sinn für Abenteuer.«
    »Im Gegensatz zu dir!«
    »Im Gegensatz zu mir!«
    Sie blickte zu Boden. Die Hand des Toten lag zwischen ihnen.
    Einen Augenblick lang übermannte sie Ekel vor sich selbst. Alles, was sie in den letzten Tagen getan hatte oder geträumt hatte zu tun, erschien vor ihrem geistigen Auge: Eine Parade von Vorführungen, die mit dem Tod endeten – alles für diesen einen Tod, von dem sie so verzweifelt hoffte, daß er in Verführung enden würde. Sie war genauso verdammt wie er, dachte sie; in seinem Kopf konnte keine verderbtere Absicht nisten als jene, die momentan in ihrem Kopf umherflatterte.
    Nun … es war geschehen.
    »Heile mich«, flüsterte er ihr zu. Die Schärfe war aus seiner Stimme gewichen. Er sprach wie ein Geliebter. »Heile mich … bitte.«
    »Das werde ich«, sagte sie. »Ich verspreche dir, daß ich es tun werde.«
    »Und dann werden wir zusammenbleiben.«
    Sie runzelte die Stirn.
    »Und was ist mit Rory?«
    »Wir sind Brüder, das gleiche Blut, das gleiche Fleisch, dieselbe Haut«, sagte Frank. »Ich werde ihn schon die Wahrheit, das Wunder dieses Satzes erkennen lassen. Du gehörst nicht zu ihm, Julia. Jetzt nicht mehr.«
    »Nein«, sagte sie. Er hatte recht.
    »Wir gehören zusammen. Das ist es doch, was du dir wünschst, nicht wahr?«
    »Ja, das wünsche ich mir.«
    »Weißt du, manchmal glaube ich, daß ich nie verzweifelt wäre, wenn ich dich gehabt hätte«, sagte er zu ihr. »Dann hätte ich meinen Körper und meine Seele nicht so billig fortgegeben.«
    »Billig?«
    »Nur um des Vergnügens willen. Für bloße Wollust. In dir …« – dabei bewegte er sich wieder auf sie zu, und diesmal hielten seine Worte sie in ihrem Bann gefangen; sie wich nicht zurück – »… in dir hätte ich

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