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Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Titel: Das Tor zur Hölle - Hellraiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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vielleicht einen Sinn für mein Leben gefunden.«
    »Ich bin hier«, sagte sie. Ohne darüber nachzudenken, streckte sie die Hand aus und berührte ihn. Sein Körper war heiß – und feucht. Der Puls schien überall zu sein. In jeder zarten Nervenknospe; in jedem sich entfaltenden Muskel. Die Berührung erregte sie. Es war, als ob sie bis jetzt nie wirklich ganz davon überzeugt gewesen wäre, daß er wirklich da war. Nun war es unbestreitbar. Sie hatte diesen Mann geschaffen, oder ihn wiedererschaffen; hatte ihren Verstand und ihre List und Tücke eingesetzt, um ihm Substanz zu geben. Dem wohligen Schauder, den sie empfand, als sie diesen noch so verletzlichen Körper berührte, haftete das erregende Gefühl des Besitzens an.
    »Dies ist jetzt die gefährlichste Zeit«, erklärte er ihr. »Bis jetzt konnte ich mich verstecken. Ich war praktisch nicht vorhanden. Aber das ist nun anders.«
    »Ja. Ich habe auch schon darüber nachgedacht.«
    »Wir müssen es schnell hinter uns bringen. Ich muß wieder stark und vollkommen werden – um jeden Preis. Stimmst du mir zu?«
    »Natürlich.«
    »Danach wird das Warten ein Ende haben, Julia.«
    Sein Puls schien sich bei dem Gedanken zu beschleunigen.
    Dann kniete er plötzlich vor ihr. Seine verstümmelten Hände glitten über Hüften; dann sein Mund.
    Die letzten Reste ihrer Abscheu von sich werfend, legte sie eine Hand auf seinen Kopf und befühlte das Haar – seidig wie das eines Babys – und die Schädeldecke darunter. Er hatte nichts an Feinfühligkeit hinzugelernt, seit er sie das letzte Mal in seinen Armen gehalten hatte. Doch Verzweiflung hatte sie die hohe Kunst gelehrt, aus Stroh Gold zu spinnen; mit der Zeit würde sie Liebe von diesem Ding bekommen, dessen war sie sich sicher.

ACHT
    In jener Nacht war die Welt von Donner erfüllt. Ein Sturm ohne Regen, die Luft schmeckte nach Metall.
    Kirsty hatte nie gut schlafen können. Selbst als Kind, und obwohl ihre Mutter genügend Wiegenlieder gekannt hatte, um ganze Nationen zu besänftigen, war das Mädchen nie leicht in Schlummer gesunken. Sie hatte aber auch keine Alpträume – oder zumindest keine, an die sie sich am Morgen erinnern konnte. Es war einfach so, daß der Schlaf selbst – der Akt, die Augen zu schließen und die Kontrolle über das Bewußtsein aufzugeben – etwas war, für das sie vom Temperament her ungeeignet schien.
    Heute nacht, mit dem grollenden Donner und den gleißenden Blitzen, war sie glücklich. Sie hatte eine Entschuldigung dafür, ihr zerwühltes Bett zu verlassen, Tee zu trinken und sich das Schauspiel vom Fenster aus anzuschauen.
    Es gab ihr auch Gelegenheit, um nachzudenken; Zeit, das Problem, das sie verfolgte, seit sie das Haus in der Lodovico Street verlassen hatte, hin und her zu wälzen. Doch sie war einer Antwort noch immer nicht nähergekommen.
    Ein Zweifel nagte ganz besonders an ihr. Einmal angenommen, sie irrte sich bei dem, was sie gesehen hatte? Einmal angenommen, sie hatte die Beweise falsch interpretiert, und Julia konnte mit einer vollkommen harmlosen Erklärung aufwarten? Sie würde Rory mit einem Schlag verlieren.
    Aber durfte sie schweigen? Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, daß diese Frau sie hinter ihrem Rücken auslachte – und daß sie Rorys Gutmütigkeit, seine Naivität ausnutzte. Der Gedanke brachte ihr Blut zum Kochen.
    Die einzige andere Alternative war, abzuwarten und die Augen offen zu halten; zuzusehen, ob sie nicht irgendeinen über jeden Zweifel erhabenen Beweis finden konnte. Wenn ihre schlimmsten Annahmen dann bestätigt wurden, würde sie keine andere Wahl mehr haben, als Rory zu erzählen, was sie gesehen hatte.
    Ja. Das war die Antwort. Abwarten und die Augen offenhalten; die Augen offenhalten und abwarten.
    Das Donnergrollen hallte noch viele Stunden durch die Nacht und ließ sie fast bis um vier Uhr keinen Schlaf finden. Als sie schließlich doch hinüberdämmerte, war es der Schlummer eines Wächters und Wartenden. Leicht und voller Seufzer.
    Das Gewitter verwandelte das Haus in eine Geisterbahn. Julia saß unten und zählte die Sekunden zwischen den Blitzen und dem Grollen der Urgewalten, das ihnen auf den Fersen folgte. Sie hatte Donner noch nie gemocht. Sie, eine Mörderin; sie, die Gefährtin der lebenden Toten. Ein weiteres Paradoxon, das sie den vielen hinzufügen konnte, die sie in der letzten Zeit in sich entdeckt hatte. Mehr als einmal dachte sie daran, nach oben zu gehen und sich etwas Trost von dieser Ausgeburt der

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