Das Tor zur Hölle - Hellraiser
Hölle zu holen, doch sie wußte, daß dies unklug wäre. Rory konnte jeden Augenblick von seiner Betriebsfeier nach Hause kommen. Er würde betrunken sein, wie sie von früheren Gelegenheiten wußte, und voll unerwünschtem Hunger nach Zärtlichkeit.
Das Gewitter kam langsam näher. Sie schaltete den Fernseher an, um den Lärm zu übertönen, was jedoch kaum gelang.
Um elf kam Rory heim, bis über beide Ohren lächelnd. Er hatte gute Nachrichten. Sein Vorgesetzter hatte ihn auf der Party beiseite genommen, ihn für seine ausgezeichnete Arbeit gelobt und von großen Dingen gesprochen, die die Zukunft für ihn bereithalten könne. Julia hörte zu, wie er das Gespräch nacherzählte, in der Hoffnung, daß seine Trunkenheit ihn blind gegen ihre Gleichgültigkeit machen würde. Nachdem er schließlich alles erzählt hatte, warf er sein Jackett von sich und setzte sich neben sie auf das Sofa.
»Armes Kleines«, sagte er. »Du magst doch keinen Donner.«
»Ich bin okay«, sagte sie.
»Bist du sicher?«
»Ja. Ich bin okay.«
Er beugte sich zu ihr hinüber und knabberte an ihrem Ohr.
»Du bist verschwitzt«, sagte sie nüchtern, er setzte jedoch seine Annäherungsversuche fort, nicht willens, das Heft aus der Hand zu geben, wo er gerade begonnen hatte.
»Bitte, Rory …«, sagte sie. »Ich will das nicht.«
»Warum nicht? Was habe ich getan?«
»Nichts«, sagte sie und tat so, als würde sie etwas im Fernsehen interessieren. »Du bist okay.«
»Oh, ist das so?« sagte er. »Du bist okay. Ich bin okay. Jeder ist so verdammt okay.«
Sie starrte auf den flackernden Bildschirm. Die Spätnachrichten hatten gerade begonnen; der übliche Kelch des Leides, gefüllt bis an den Rand. Rory redete weiter und übertönte die Stimme des Nachrichtensprechers mit seinen Tiraden. Es war ihr egal. Was hatte die Welt ihr schon Neues zu bieten? Ziemlich wenig. Wohingegen sie Neuigkeiten für die Welt hatte, die allen den Atem verschlagen würden. Über den Zustand der Verdammten; über Liebe, die man verlieren und wiederfinden konnte; darüber, was Verzweiflung und Verlangen gemeinsam hatten.
»… bitte, Julia …«, sagte Rory, »… rede doch wenigstens mit mir …«
Sein Betteln verlangte nach ihrer Aufmerksamkeit. Er sieht aus wie der Junge auf den Fotos, dachte sie bei sich – sein Körper behaart und aufgedunsen, seine Kleidung die eines Erwachsenen, doch im Herzen ein Junge mit fragendem Blick und schmollendem Mund. Sie erinnerte sich an Franks Frage: »Wie konntest du nur so einen Langweiler heiraten?« Als sie darüber nachdachte, verzog ein säuerliches Lächeln ihre Lippen. Er schaute sie an, und seine Verwirrung wurde noch größer.
»Was ist denn so komisch, verdammt nochmal?«
»Nichts.«
Er schüttelte den Kopf, und dumpfe Wut trat an die Stelle des Schmollens. Ein Donnerschlag folgte direkt auf den Blitz – gleichzeitig ertönte von oben ein Geräusch. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Fernseher zu, um Rory abzulenken. Doch es war ein nutzloser Versuch – er hatte das Geräusch gehört.
»Was zum Henker war das?«
»Donner.«
Er stand auf. »Nein«, sagte er. »Das war irgend etwas anderes.« Schon stand er an der Tür.
Ein Dutzend Möglichkeiten rasten durch ihren Kopf, keine davon praktikabel. Er kämpfte betrunken mit der Türklinke.
»Vielleicht habe ich das Fenster offengelassen …«, sagte sie und stand auf. »Ich gehe mal nachsehen.«
»Ich schaff das schon alleine«, erwiderte er. »Ich bin ja nicht vollkommen unfähig.«
»Niemand hat gesagt …«, begann sie, doch er hörte überhaupt nicht zu. Als er hinaus auf den Flur trat, donnerte und blitzte es wieder: laut und gleißend. Sie lief ihm nach, und ein weiterer Blitz folgte; begleitet von einem markerschütternden Krachen. Rory war schon halb die Treppe hinauf.
»Es war bestimmt nichts!« rief sie ihm hinterher. Er gab keine Antwort, sondern stieg weiter die Treppe hoch. Sie rannte ihm nach.
»Tu's nicht …«, keuchte sie zwischen zwei Donnerschlägen. Als sie ihn am Ende der Treppe erreichte, wartete er dort auf sie.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte er.
Sie verbarg ihr Zittern hinter einem Schulterzucken. »Du benimmst dich lächerlich«, erwiderte sie sanft.
»Tu' ich das?«
»Es war nur der Donner.«
Sein vom Flurlicht unten beleuchtetes Gesicht entspannte sich. »Warum behandelst du mich wie Dreck?« fragte er sie.
»Du bist ja müde«, antwortete sie.
»Trotzdem warum?« beharrte er kindisch. »Was
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