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Das Totenhaus

Das Totenhaus

Titel: Das Totenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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vierundzwanzig Stunden eine Frau von Verwandten oder Freunden als vermisst gemeldet worden war.
    Nachdem ich drei Blocks gegangen war, war klar, dass in dieser Gegend Sonntagnacht nach elf Uhr nichts mehr geöffnet war. Obwohl ich weniger als fünf Minuten von meiner eigenen Wohnung entfernt war, wusste ich, dass es dumm wäre, dorthin zu gehen. Ich wollte nicht riskieren, meiner Verfolgerin, Shirley Denzig, über den Weg zu laufen, und man hatte mich auch noch nicht benachrichtigt, dass das Fenster wieder repariert worden war.
    Ich griff in meinen Mantel und nahm den Piepser vom Hosenbund, als ich ihn vibrieren fühlte. Ich hielt ihn unter eine Straßenlaterne und sah Jakes Nummer auf der Anzeige. Ich hängte ihn wieder ein, klappte den Kragen meines Mantels hoch und überquerte die Straße.
    Wenn ich einige Blocks nach Norden ging, würde ich die Dienststelle des 19. Reviers in der Sixty-seventh Street erreichen. Wenn ich nach Osten ging, würde ich genauso schnell in Mikes Wohnung sein.
    Er kannte jeden Mordermittler im Umkreis von fünfzig Meilen. Wir konnten uns in sein winziges Einzimmerapartment setzen, dem er vor langer Zeit den Spitznamen >Der Sarg< gegeben hatte, und wenn es sein musste, die ganze Nacht telefonieren, bis wir herausgefunden hatten, wer dieser Mörder war, damit wir ihn hinter Gitter bringen konnten, bevor er das Land verließ.
    Ich beschleunigte meine Schritte, als ich mich Richtung Osten zur York Avenue auf den Weg machte. Auf dem Gehsteig und auf den Straßen bildete sich eine Eisschicht, und ich musste aufpassen, nicht auszurutschen. Die Leute, die noch im Freien unterwegs waren, waren diejenigen, die keine andere Wahl hatten. Hundebesitzer, die ihre Hunde zum letzten Mal am Tag Gassi führten, Krankenhausangestellte, die auf dem Weg zur Mitternachtsschicht im Cornell Medical Center waren, und ab und zu ein Obdachloser, der vor einer Ladentür oder in einer Gasse kauerte.
    Als ich den Eingang des alten Mietshauses erreichte, das inmitten der umliegenden Hochhäuser mit Eigentumswohnungen und exklusiven Restaurants winzig wirkte, öffnete ich die äußere Tür, schüttelte die Tropfen von den Ärmeln und suchte den Klingelknopf zu Mikes Wohnung. Daneben stand statt seines Namens die Nummer seiner goldenen Dienstmarke. Ich ignorierte das erneute Vibrieren des Piepsers an meinem Hosenbund und drückte auf die Klingel.
    Die wenigen Sekunden, die es dauerte, bis Mikes Stimme über die Sprechanlage zu hören war, kamen mir wie eine Stunde vor.
    »Ja?«
    »Ich habe ein Problem. Ich bin's, Alex. Lässt du mich rein?«
    Die Tür mit dem Messinggriff gab nach, als das Summgeräusch in der kleinen Lobby zu hören war. Ich lief in dem düsteren Treppenhaus Absatz für Absatz die engen Stufen hinauf. Als ich den fünften Stock erreicht hatte, war ich völlig außer Atem und blieb stehen, um Luft zu holen.
    Ich konnte hören, wie Mike das Schloss aufmachte. Er öffnete die Tür ungefähr einen dreißig Zentimeter breiten Spalt und stand mit nacktem Oberkörper und einem um die Taille verknoteten Handtuch vor der Öffnung.
    »Tschuldige, ich hatte nicht gedacht, dass du um diese Zeit schon schlafen würdest.« Ich ging auf die Tür zu und erwartete, dass er mich reinlassen würde. »Zier dich nicht, Mikey. Ich reiß es dir schon nicht vom Leib. Dann hätte ich vielleicht das erste Mal heute Abend etwas zu lachen.«
    Ich streckte meinen Arm aus, um die Tür aufzudrücken. Er rührte sich nicht von der Stelle, während er mich von oben bis unten musterte, als ob er nach einer Verletzung suchen würde. »Geht's dir gut?«
    »Erfroren und nass. Und wütend. Du musst mir helfen.«
    Ich drängelte mich an ihm vorbei und setzte den Fuß über die Türschwelle, als er zu sprechen begann. »Alex, nur eine Minute, damit ich -«
    Es verschlug mir den Atem, als ich neben ihm stand. In seinem Bett lag eine schlafende Frau, und ich zuckte zusammen, als mir bewusst wurde, wie unverschämt es von mir war, einfach so hereinzustürmen und mich ohne Vorankündigung auf seine Freundschaft zu verlassen.
    Ich legte die rechte Hand vors Gesicht und versuchte, eine Entschuldigung zu stammeln. »Es tut mir furchtbar Leid«, sagte ich, während ich mit den Tränen kämpfte und rückwärts wieder hinausging. »Es war schrecklich rücksichtslos von mir, einfach hierher zu kommen, ohne vorher anzurufen.«
    Er versuchte, mich am Handgelenk zu packen, als ich Richtung Treppe ging. »Alex, mach dich nicht lächerlich. Ich will doch

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