Das Totenhaus
war, also aß ich alles auf, damit er mir das nicht auch noch vorhalten würde.
»Geh schon vor. Ich räum auf.« Das war schnell erledigt, und zehn Minuten später gesellte ich mich zu ihm ins Wohnzimmer, wo er sich auf den nächsten Tag vorbereitete. Ich setzte mich ans andere Ende des Sofas und verschränkte meine Beine mit seinen, während ich Lockharts Tagebuch aus dem Jahr 1935 von Anfang bis Ende sorgfältig durchlas.
Um fünf nach halb elf klingelte das Telefon.
»Wie geht es dir?«, fragte er den Anrufer. Normalerweise gab er mir mit Lippenbewegungen den Namen des Anrufers zu verstehen, wenn ich ihn nicht aus dem Kontext der Unterhaltung erraten konnte. Dieses Mal tat er das nicht.
»Nein, ich erinnere mich nicht daran, ihn jemals getroffen zu haben. Ich habe natürlich von ihm gehört. Wenn ich mich nicht irre, hat Tom mal ein Feature über seine Firma gemacht.«
Die Person am anderen Ende der Leitung redete weiter.
»Du machst Witze.« Jake setzte sich auf und stellte beide Beine auf den Boden. »Wann?« Vermutlich eine Antwort.
»In Montauk? Wo ist er jetzt? Wo sind die Kinder?«
Wieder eine kurze Antwort.
»Warum denkst du, dass es Mord war?«
Ich legte das Buch zur Seite und starrte Jake an, der stur geradeaus blickte.
»Warte eine Sekunde, ja? Ich möchte nach nebenan gehen.« Er drehte sich zu mir. »Liebling, würde es dir etwas ausmachen, wenn ich im Arbeitszimmer telefoniere?« Er wartete meine Antwort nicht ab. »Häng einfach auf, wenn du mich rangehen hörst, okay?«
Er ging ins Arbeitszimmer, und ich hielt den Hörer in der Hand, bis ich ihn fragen hörte, ob sein Anrufer noch am Apparat sei. Sie antwortete mit »Ja«.
Während sie sich fast eine Viertelstunde lang unterhielten, saß ich im Wohnzimmer und schäumte vor Wut. Vor weniger als einer Woche hatte Jake mich darum gebeten, bei ihm einzuziehen. Ich war widerwillig darauf eingegangen, nicht zuletzt wegen der Umstände in und außerhalb meiner Wohnung. Unsere Vertrautheit, auf Grund derer ich begonnen hatte, unsere gemeinsamen Tage und Nächte zu genießen, war noch so fragil, dass ein einziges Telefonat, das er nicht in meiner Anwesenheit führen wollte, ausreichte, um sie zu zerstören.
Ich stand auf, um mir einen Drink einzuschenken.
»Bekomme ich keinen?«, fragte er, als er ins Wohnzimmer zurückkam.
»Entschuldige. Ich wusste nicht, wie lange du noch telefonierst.« Ich ging wieder zur Bar und schenkte ihm einen Scotch ein. Jetzt hatte sich das Blatt gewendet. Jetzt war ich kühl und kurz angebunden, und er stand unter dem Adrenalinstoß, den eine Exklusivmeldung mit sich bringt.
Er spürte mein Schmollen sofort. »Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«
»Auf wen denn? Ich weiß ja nicht einmal, wer angerufen hat.«
Er bot mir nicht an, mir ihren Namen zu nennen. »Sie ist eine alte Freundin. Eine Anwaltsgehilfin bei einer der großen, alteingesessenen Anwaltskanzleien.«
»Es ist mir egal, und wenn es Gwyneth Paltrow oder Emma Thompson gewesen wäre. Ich bin nur fassungslos, dass es etwas gibt, worüber du nicht vor mir sprechen kannst.« Ich machte einen großen Bogen um das Sofa und setzte mich in einen Sessel auf der anderen Seite des Raumes. »Zuerst machst du so viel Aufhebens darum, dass ich dich stärker an meinem Leben teilhaben lassen soll und mich dir mehr öffnen muss. Du versuchst, mich zu überreden, bei dir einzuziehen, und dann rennst du beim ersten ernsthaften Anruf aus dem Zimmer, damit ich der Unterhaltung nicht folgen kann. Du kannst dir sicher sein« - ich stand auf und ging im Kreis um den Sessel, während ich sprach - »verdammt sicher, dass ich nicht mit jemandem zusammenwohnen werde, der Privatgespräche in einem anderen Zimmer führt. Vor allem nicht, wenn ich das Wort >Mord< höre. Also, willst du mir jetzt sagen, worum es ging?«
Er beugte sich vor und stützte sich mit den Unterarmen auf seine Oberschenkel, sein Glas in einer Hand. Er lächelte, als er zu mir herübersah. »Spreche ich jetzt mit meiner Liebsten oder mit einer Staatsanwältin?«
»Wenn du innerhalb von wenigen Minuten die Wörter >Mord< und >Kinder< in den Mund nimmst, dann muss ich dich leider informieren - Liebling -, dass ich Staatsanwältin bin.«
Er lehnte sich zurück. »Das ist das Problem. Meine Quellen sind vertraulich. Ich habe diese Informationen streng vertraulich bekommen, also frag mich nicht etwas, was ich dir nicht sagen kann.« Er war zu begierig, die Geschichte zu wiederholen, als dass er nicht
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