Das Totenhaus
Ich hatte ihm eine der Kopien gegeben und die andere gefaltet und sie in meine Hosentasche gesteckt, um sie mir später am Abend zu Hause genauer anzusehen. Hatte Shreve gehört, wie mich Mike in Sylvia Footes Büro gefragt hatte, ob ich Jennings Karte der Insel sicher aufbewahrt hatte?
Ich sah hinunter auf meine Beine, um sicherzugehen, dass ich noch immer den gleichen Anzug trug. Meine Handtasche und meine Akten waren entweder in Shreves Minivan oder in seiner Wohnung. Vielleicht hatte er sie nach der Karte oder nach Hinweisen danach durchsucht, aber falls ihm nicht eingefallen war, auch meine Kleidung zu durchsuchen, hatte er die Karte nicht gefunden.
Das Adrenalin pumpte wieder durch meinen Körper, und ich schluckte schwer. Ich wusste jetzt, dass das, was Shreve wollte, direkt hier vor seiner Nase war, und dass er, falls er das kleine Stück Papier fand, keinen Grund mehr hatte, den Dialog mit mir aufrechtzuerhalten. Dann wäre ich so gut wie tot.
»Aber Lola hat Ihnen all diese Dinge erzählt, als sie noch bei Lily war. Worüber haben Sie an dem Tag, an dem sie umgebracht wurde, gestritten?«
»Ich bin nicht zu ihr, um mich wegen irgendetwas zu streiten. Ich war aufgeregt, begeistert, dass sie vielleicht das Rätsel des Vermögens meines Großvaters gelöst hatte. Ich wollte die Karte mit eigenen Augen sehen.«
»Hatte sie sie?«
»Sie war wütend, dass ich zu ihr in die Wohnung gekommen war. Sie hielt mich hin und versuchte, mich loszuwerden. Sie sagte mir, dass sie sie nicht bei sich hätte und dass in Kürze der Staatsanwalt aus New Jersey kommen und dass sie mich am nächsten Tag anrufen würde. Natürlich wusste ich damals nicht, dass das mit dem Staatsanwalt kein Scherz war. Er war tatsächlich auf dem Weg in ihre Wohnung.«
Shreve grinste höhnisch. »Nicht wegen Lola, sondern wegen seines Geldes.«
»Was für Geld?«
»Anscheinend hatte der Kerl alle möglichen Geldprobleme. Lola gab ihm hin und wieder Bares, damit er sich über Wasser halten konnte. Wahrscheinlich auch, damit er mit ihr ins Bett ging, was nicht unbedingt angenehm war.«
»Woher wissen Sie das? Ich meine, das mit dem Geld?«
»Claude Lavery hat es mir nach ihrem Tod erzählt. Das war es, was die beiden auseinander brachte. Lola wusste, dass Claude etwas unorthodoxe Ansichten hatte, was seine Forschungsgelder anging. Sie flehte ihn an, ihr Geld zu leihen, und behauptete, sie bräuchte es für das Blackwell's-Projekt. Claude rief mich letzte Woche an und bat mich, das Geld zurückzuzahlen. Ich musste ihm sagen, dass sie nicht einen Pfennig davon für die Ausgrabungen verwendet hatte. Dann fiel mir ein, was sie mir über den Staatsanwalt und seine Geldprobleme erzählt hatte. Sie muss das gesamte Geld diesem kaputten Schnorrer gegeben haben.«
Lolas Schuhschachteln voller Bargeld. Sie hatte Lavery unter Druck gesetzt, damit er ihr etwas von seinem Geldsegen abgab, und behauptet, dass sie es für ihre Forschungsarbeiten bräuchte, aber stattdessen nahm sie es, um Bart Frankels private Probleme zu lösen.
Ich beugte mich vor und versuchte, überzeugend zu wirken, als ich die nächste Frage stellte. Ich glaubte nicht an das, was ich sagte, aber ich wollte, dass Shreve dachte, dass ich es tat. »Also warum hat Claude Lola umgebracht? War es wegen des Geldes?«
Er brauchte zu lange, um zu antworten. Ich fröstelte und glitt mit der Hand an meine Seite, um das Stück Papier durch die Kleidung hindurch zu ertasten. War es noch da? Ich war mir nicht sicher.
»Sie hatte mich Anfang der Woche angerufen, um mir zu sagen, dass sie an diesem Nachmittag zu Hause sein würde. Ich solle mir keine Sorgen machen, falls ich in den Nachrichten von Ivans Mordkomplott hören würde. Ich schaute auf dem Weg an die Uni bei ihr vorbei. Ich klingelte, und sie war tatsächlich zu Hause. Gerade zurückgekommen. Sie ließ mich ins Haus rein, wollte mich aber gleich wieder los werden.«
»Und Professor Lavery?«
Leichtes Zögern. Shreve wollte eine Geschichte erzählen, die Lavery mit in den Mord verwickelte, aber er tat es nicht sehr überzeugend. »Lola bat mich nicht in die Wohnung. Sie ließ mich auf dem Gang stehen. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, dass Lavery bei ihr in der Wohnung war. Lola sagte mir, dass sie hinüber auf die Insel fahren würde.«
»Wann? Am selben Tag?«
»Am nächsten Tag. Ich wollte mitkommen. Sie hatte kein Anrecht auf den Besitz meines Großvaters.«
Der Wind schien jetzt nachgelassen zu haben, und auch ich hatte
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