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Das Totenhaus

Das Totenhaus

Titel: Das Totenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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glatzköpfig oder blond war? Irgendwann mal werde ich die Todesanzeigen für alle meine Opfer schreiben. Der Wahrheit entsprechend. >Das fiese Miststück, bei derem Anblick einem schlecht wurde, hat endlich das bekommen, was sie verdient hat, nachdem sie jahrelang jeden, der ihr über den Weg lief, wie Scheiße behandelt hat.< So in der Art. Also, wie sieht der Plan für heute aus? Um wie viel Uhr erwartet uns Lolas Schwester?«
    »Als ich gestern mit ihr sprach, schlug sie ein Uhr vor. Passt das für dich?«
    »Dann mal raus aus den Federn, Ballerina. Ich hol dich um zwölf Uhr an der Ecke Fifty-seventh und Madison ab.«
    Mike wusste, dass meine Samstage um acht Uhr früh mit einem Ballettkurs begannen, der die einzige Konstante in einem Fitnessplan war, der vor langer Zeit auf Grund der Unwägbarkeiten meines Jobs ad acta gelegt werden musste. Ich nahm seit Jahren bei William Unterricht und verließ mich darauf, dass die Dehnübungen, Plies und die Arbeit an der Stange mich von meiner täglichen berufsbedingten Dosis an Gewaltverbrechen ablenkten. Danach hatte ich einen Termin bei Elsa, meiner Friseurin im Stella-Salon, um mir noch vor den Feiertagen, die ich mir fröhlicher vorgestellt hatte, meine blonden Strähnchen auffrischen zu lassen.
    Ich hob die Zeitung vor der Tür auf, fuhr mit dem Aufzug hinunter in die Lobby und wartete dort, bis jemand in einem Taxi vorfuhr, da ich nicht erpicht darauf war, mir in der morgendlichen Eiseskälte an der Straßenecke die Beine in den Bauch zu stehen, um eines anzuhalten. Während der Fahrt auf die andere Seite der Stadt las ich die Berichterstattung der Times über die Dakota-Geschichte. Die Neuklassifizierung ihres Todes als Mord hatte die Meldungen vom hinteren Teil auf die obere Hälfte der Titelseite katapultiert: »Akademische Gemeinde fassungslos über Tod einer Wissenschaftlerin.«
    Der Artikel begann mit einer Aufzählung der Erfolge, Veröffentlichungen und Auszeichnungen, die die Professorin in ihrer relativ kurzen Karriere angesammelt hatte. Ein weiterer Artikel unter der Überschrift »Morningside Heights trauert um Nachbarin« beschrieb die Reaktionen der Collegebeamten. Darin hieß es, dass Columbia University und King's College beschlossen hatten, den Unterricht in der Woche vor den Weihnachtsferien ausfallen zu lassen, während die Polizei zu ermitteln versuchte, ob der Mord auf das Konto eines Stalkers ging und nur Dakota galt oder ob eine Gefährdung für das gesamte Viertel bestand.
    Ein weiterer Artikel schilderte den Verlauf der Ermittlungen gegen Ivan Kralovic und zweifelte an der Klugheit der Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft von New Jersey. Jeder der Artikel zitierte eine Vielzahl von Leuten, die der Verstorbenen nahe gestanden hatten, sowie die eloquenten Worte der Kaplanin von King's, Schwester Willetta Heising, die von dem Verlust einer Freundin gesprochen und die Studenten beschworen hatte, angesichts dieser Bedrohung für ihr allgemeines Sicherheitsgefühl die Ruhe zu bewahren. Ein Foto von der Menschenmenge, die nach dem Gottesdienst aus der Riverside Church strömte, alle mit einer dünnen Wachskerze in der Hand und hin und wieder ein Taschentuch am Auge, bildete den Abschluss der Seite, auf der die Artikel endeten.
    Ich faltete die Zeitung zusammen und steckte sie in meine Tasche, in der Hoffnung, später Zeit für das Kreuzworträtsel zu haben, und bezahlte den Taxifahrer. Ich rannte ins Gebäude und die Stufen hinunter in Williams Studio, legte meinen Mantel im Umkleideraum ab und gesellte mich zu den anderen, die sich bereits in der Mitte des Raumes aufwärmten. Die freundlichen Gesichter und die Routinebeschwerden über steife Glieder und unmerkliche Gewichtszunahmen signalisierten mir, dass mich keiner von ihnen mit den heutigen Schlagzeilen in Verbindung brachte. Ich war erleichtert, keine Fragen und Beileidsbekundungen zu hören, die üblicherweise meine Verwicklungen in die tragischen Ereignisse im Leben anderer Menschen begleiteten, und ich machte in Ruhe meine Dehnübungen.
    Jedes Mal, wenn ich den Kopf hob, blickte ich mich um, um zu sehen, ob Nan Rothschild schon eingetroffen war. Ich wusste, dass sie am Barnard College unterrichtete, und ich erinnerte mich daran, dass wir vor einem Jahr einige Male über Lola Dakota gesprochen hatten. Ich hatte vor, Nan zu fragen, wie man bei diesen heiklen Ermittlungen am besten mit ihren Kollegen umging, aber sie ließ sich heute Vormittag nicht blicken.
    Ich beendete gerade meine

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