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Das Totenhaus

Das Totenhaus

Titel: Das Totenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Kniebeugen, als William hereinkam, in die Hände klatschte, um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und uns zur Stange bat, um mit dem Unterricht zu beginnen.
    Er fing mit einer Reihe tiefer, gleichmäßiger Plies an und zählte mit, um uns das Tempo vorzugeben. Die Musik, erklärte er, war Tschaikowskis synfonische Fantasie »Der Sturm«. Ich ließ meine Gedanken mit der Musik schweifen und genoss die Tatsache, dass ich, wenn ich mich nur stark genug darauf konzentrierte, meine Position richtig zu halten, nicht mehr darüber nachdachte, was bei den Dakota-Ermittlungen noch alles zu tun sei.
    »Den Kopf höher, Alexandra. Bei den Releves gerade nach oben.« Er fuhr mit seinem Zeigestab an den Beinen der Frau vor mir hinab und zeigte uns die perfekten Linien ihrer Position. Als wir für die Bodenübungen bereit waren, war ich bereits ins Schwitzen gekommen. Ich setzte mich auf den Parkettboden und streckte meine Beine V-förmig aus, wobei ich mit den Zehen die elegant gebogenen Fußsohlen von Julie Kent berührte.
    »Was machst du über Weihnachten? Fliegst du nach Martha's Vineyard?«
    Ich nickte. »Nur ganz kurz. Und du und Victor?«
    William legte seinen Finger an die Lippen und bat um Ruhe, während er mir mit seinem Holzstab auf die Schulter klopfte. Julie grinste mich an und formte mit den Lippen das Wort »später«.
    Nach dem Unterricht sprachen wir über die Feiertage, während wir duschten und uns wieder warm anzogen. Ich stapfte einige Straßenzüge durch den vom Verkehr und den Abgasen grauen Matsch, ohne ein Taxi zu entdecken, und nahm schließlich den Bus quer durch die Stadt zu meiner Friseurin. Elsa hatte die Morgenzeitung gelesen, und wir unterhielten uns leise über die bizarren Ereignisse des Vortags, während sie Strähnchen in mein aschblondes Haar zog.
    Als ich kurz vor ein Uhr mittags hinunter in die Lobby ging, stand Mike mit eingeschaltetem Warnlicht direkt vor dem Eingang auf der Fifty-seventh Street. Wir fuhren zur West Side hinüber und durch den Lincoln Tunnel nach New Jersey. Wie üblich um diese Jahreszeit fuhren die meisten Autos nach Manhattan hinein, nicht wie wir aus der Stadt hinaus. Vorstädter kamen, um ihre Weihnachtseinkäufe zu erledigen, sich die kunstvollen Schaufensterauslagen auf der Fifth Avenue anzusehen und unter dem riesigen Weihnachtsbaum am Rockefeller Center Schlittschuh zu laufen. Uns allerdings standen ernüchterndere Aktivitäten bevor.
    Mike hatte, während ich in der Ballettstunde gewesen war, Lolas Schwager angerufen, um ihm und Lily mitzuteilen, dass der Gerichtsmediziner Lolas Tod offiziell als Mord deklariert hatte, was ja die heutigen Morgenzeitungen ohnehin dem Großraum New York verkündet hatten. Plötzlich schien der Familie sehr daran gelegen, mit uns zu sprechen.
    Wir fuhren um halb zwei vor dem Haus vor, das wir sofort von den Videoaufnahmen von Kralovic' Killern vom Donnerstagabend wiedererkannten. Der Kranz war weg, und alle Anzeichen freudiger Festtagsstimmung waren durch die düsteren Ereignisse überschattet.
    Als Mike gerade den Messingtürklopfer betätigen wollte, ging die Tür auf. Ein korpulenter Mittfünfziger begrüßte uns und stellte sich als Lilys Ehemann, Neil Pompian, vor. »Meine Frau ist in der Küche. Kommen Sie doch bitte herein.«
    Wir streiften die Schuhe an der Borstenmatte ab und folgten Pompian durch den Flur, vorbei am Wohnzimmer, in dem unter einem großen Weihnachtsbaum Dutzende von Geschenken lagen. Drei Frauen, die sich als Nachbarinnen vorstellten, standen vom Küchentisch auf, umarmten der Reihe nach Lily, überzeugten sich, dass wir genügend Plätzchen zur Auswahl hatten, und boten uns was zum Essen und Trinken an, bevor sie durch die Hintertür verschwanden.
    Ich schenkte zwei Tassen Kaffee ein, und wir setzten uns zu Lily an den sonnenbeschienenen Küchentisch, von dem aus man auf einen großen Garten mit einem über den Winter abgedeckten Swimmingpool hinaussah. Lily saß mit angewinkelten Beinen auf einer Fensterbank, ein Glas Weißwein vor sich auf dem Tisch.
    »Dieser Scheißkerl war fest entschlossen, sie zu kriegen, egal, wie. Hab ich Recht?« Sie hob das Glas und nippte daran, während wir uns vorstellten. »Ich weiß, dass Sie der Meinung sind, dass wir nicht auf Vinny Sinnelesis Plan hätten eingehen sollen, Ms. Cooper. Meine Schwester hat mir von ihren Gesprächen mit Ihnen erzählt. Aber sie war wirklich mit ihrer Weisheit am Ende, und ihr gefiel die Vorstellung einer verdeckten Operation, um Ivan

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