Das Totenhaus
die Opfer«, sagte Joe und drohte mir mit dem Finger, während er das Zimmer verließ.
»Um was geht's hier?«, fragte Mike.
»Ich erzähl's dir später. Nur eine frühere Klägerin, die gerade dann wieder auftaucht, wenn ich sie am allerwenigsten brauchen kann.«
Ich wählte Ryan Blackmers Nummer. Ich brauchte mehr Informationen über den Vorfall am Washington Square Park. »Hallo, ich wollte Sie sprechen, bevor ich zum College hinauffahre. Hat sich die NYU-Studentin zur Vernehmung blicken lassen?«
»Sie kam und hat die ganze Geschichte widerrufen. Ich hoffe, es ist Ihnen recht, aber ich hab sie eingesperrt. Wegen falscher Anschuldigung.«
»Wie das?«
»Das Mädchen war total aus dem Häuschen, als sie hier ankam. Sie hatte sich die ganze Sache ausgedacht. Sie hätte heute Vormittag ihre letzte Prüfung gehabt und außerdem noch zwei Seminararbeiten vor den Winterferien schreiben müssen. Sie packte es einfach nicht, also dachte sie, dass sie falls sie dem Dekan erzählte, dass sie auf der Straße überfallen worden war und zu traumatisiert war, um das Semester zu beenden, nicht durchfallen würde und die Arbeit im Januar nachholen könnte.«
»Und aus dem Grund hat sie mal einfach so jemanden angezeigt und ihn tatsächlich für eine Nacht ins Gefängnis gebracht?« Erfundene Vergewaltigungsbeschuldigungen waren mit das Hinterhältigste, das ich mir bei Frauen vorstellen konnte.
»Sie behauptet, dass sie nie erwartet hätte, dass die Polizei sie ernst nehmen würde, und als sie fast eine Stunde lang herumgefahren waren, dachte sie, sie würde es ihnen schulden, dass sie jemanden verhaften könnten.«
»Wie geht's dem armen Kerl?«
»Ich habe ihn gestern Nacht ohne Auflagen freigelassen. Die Polizisten dachten von Anfang an, dass irgendwas mit ihr nicht ganz stimmte, und sie riefen seinen Arbeitgeber an, der hundertprozentig hinter ihm stand. Habe ich das Richtige getan, indem ich sie verhaften ließ?«
»Sie tun immer das Richtige. Bis später.«
Lauras Stimme ertönte durch die Sprechanlage. »Jemand namens Gloria Reitman ist am Apparat. Ich soll Ihnen ausrichten, dass sie Professor Dakota gekannt hat und dass sie sich an der Uni mit Ihnen treffen soll.«
»Hier spricht Alexandra Cooper. Ms. Reitman?«
»Danke, dass Sie meinen Anruf entgegennehmen. Ms. Foote bat mich, mit Ihnen zu sprechen. Ich wollte Sie nur fragen, ob es Ihnen etwas ausmachen würde, mich bei den Juristen drüben in der Columbia zu treffen? Ich bin dort im ersten Semester. Aber ich kannte Professor Dakota. Es wäre mir nur lieber, allein mit Ihnen zu sprechen und nicht vor all diesen Verwaltungstypen von King's ausgefragt zu werden. Wäre das möglich?«
»Kein Problem. Wir sollen um vierzehn Uhr in Ms. Footes Büro sein.«
»Wenn Sie ein bisschen früher kommen, kann ich mich mit Ihnen um halb zwei Uhr treffen. Ich werde in der Drapkin-Lounge sein. Dort können wir ungestört reden.«
Das Collegegelände war jetzt um einiges ruhiger als letzte Woche. Ohne die Studenten, die noch das letzte Mal, als wir hier gewesen waren, so flott die Stufen von der Bibliothek herunter- und zwischen den Gebäuden hin und her gelaufen waren, lag der Campus fast wie ausgestorben da. Mike und ich gingen in das Gebäude der Juristen und fragten den Sicherheitsbeamten nach dem Aufenthaltsraum, der zweifelsohne nach einem stinkreichen, großzügigen Alumnus benannt worden war.
Gloria kam auf uns zu und stellte sich vor. »Wir haben uns schon mal getroffen - nicht, dass ich erwarte, dass Sie sich daran erinnern. Ich habe Ihren Vortrag über den öffentlichen Dienst gehört, den Sie letztes Jahr hier gehalten haben.« Sie lächelte Mike an, während sie seine Hand schüttelte, und sah dann wieder mich an, leicht errötend vor Verlegenheit. Brünette Ringellöckchen rahmten ihr schmales Gesicht ein. »Der Grund, warum ich Jura studiere, ist, weil ich immer schon Staatsanwältin werden wollte. In Ihrer Behörde.«
Sie hatte in einer Ecke des Zimmers einige Stühle zusammengeschoben, und wir setzten uns. »Der Dekan ging die Listen von Professor Dakotas Kursen der letzten beiden Jahre durch und wählte ein paar von uns aus, die mit Ihnen reden sollen. Natürlich sind die meisten Studenten schon heimgefahren. Ich weiß nicht, wie viele noch hier sind.«
Gloria holte tief Luft. Offensichtlich fiel es ihr nicht leicht, das, was jetzt kommen würde, zu sagen.
»Es ist am einfachsten, wenn ich Ihnen gleich am Anfang sage, dass ich Ms. Dakota gehasst habe.
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