Das Totenschiff
einer ist.
Da sind auch welche, die verschleppen einen und verkaufen einen tief ins Innere als Sklave zu den Göpelmühlen. Auch ein Vergnügen, lieber die Kaidaunen aus dem Leibe reißen.
Aber der Junge hatte Glück, ein ganz verfluchtes Glück. Er traf Marokkaner an, die ihn erschlagen wollten oder an den Pferdeschwanz binden und abhäuten. Aber er konnte ihnen verständlich machen, noch rechtzeitig genug, denn sie lassen sich für gewöhnlich in keine Diskussionen ein, daß er Deutscher sei. Na, die Deutschen sind ja auch Christenhunde, aber sie haben gegen die Franzosen gekämpft, das wird ihnen hoch angerechnet, wie man in Spanien und in Mexiko es den Deutschen hoch anrechnet, daß sie fünfzigtausend Amerikanern unter die Erde verholfen haben. Bei den Marokkanern haben aber die Deutschen noch einen andern Stein im Brett, sie haben an der Seite der Türken, an der Seite der Mohammedaner gegen die Engländer und Franzosen gekämpft, und sie haben die mohammedanischen Glaubensgenossen, die auf Seiten der Engländer und Franzosen kämpften und von den Deutschen gefangen wurden, nicht als Kriegsgefangene, sondern als dreiviertel Freunde behandelt. Das weiß jeder, der Allah und den Propheten anruft, ob er in Marokko wohnt oder in Indien.
Es ist nur so ungemein schwer, einem nichttürkischen Mohammedaner das begreiflich zu machen, daß einer Deutscher ist.
Er denkt sich die Deutschen ganz anders aussehend als die verhaßten Franzosen und Engländer, und wenn er nun sieht, daß der Deutsche auch nicht viel anders aussieht, so glaubt er es ihm nicht und denkt, der Mann will ihn beschwindeln. Wenn er nun gar als Deutscher in der Fremdenlegion dient, um die Mohammedaner dort zu bekämpfen, so glaubt es ihm selbst der nicht mehr, der vielleicht zuerst ihn für einen Deutschen gehalten hätte. Denn ein Deutscher kämpft nicht auf Seiten der Franzosen gegen die Mohammedaner, die um ihre Freiheit kämpfen, weil die Deutschen das selbst wissen, was es bedeutet, wenn man um die Freiheit und Unabhängigkeit seines Landes gegen Franzosen und Engländer zu kämpfen hat.
Wie es geschah, niemand kann es sagen. Durch ein unbegreifliches Gefühl, das in den Marokkanern plötzlich auftauchte, glaubten sie ihm, daß er Deutscher sei und daß er nie gegen Marokkaner gekämpft habe. Sie nahmen ihn auf, pflegten ihn, fütterten ihn gut und gaben ihn von Sippe zu Sippe und von Stamm zu Stamm weiter, bis er an der Küste landete und dort mit den Pflaumenmushändlern auf die ›Yorikke‹ gebracht wurde.
Der Skipper nahm ihn mit Freuden auf, weil er einen Kohlschlepp brauchte, und Paul war glücklich, unter uns zu sein.
Aber nach zwei Tagen schon, obgleich er mit Rosten kein Pech hatte und die Kohlen damals gut zur Hand lagen, sagte er: ›Ich wollte, ich hätte die Fremdenlegion nicht gekippt. Das hier ist zehnmal schlimmer als die böseste Kompanie in unsrer Division. Wir lebten demgegenüber ja wie die Fürsten. Hatten menschliches Essen und menschliche Quartiere. Ich gehe hier in die Wicken.‹
›Mach keine solchen Töne, Paul‹, sagte Stanislaw, um ihn aufzurichten. Aber Paul, der vielleicht auch durch die Strapazen der Flucht schon etwas abgekriegt hatte, fing an Blut zu spucken. Immer mehr. Dann kotzte er Blut in großen Fladen. Und eines Nachts, als ich ihn ablösen kam, lag er auf einem Kohlenhaufen oben im Bunker im dicken Blut. Tot war er nicht. Ich schleifte ihn ins Quartier und packte ihn in seine Bunk da oben. Früh, als ich ihn wecken kommen wollte, war er tot. Um acht kam er über Bord. Der Skipper nahm nicht mal die Mütze ab, er tippte bloß so an den Rand. Eingewickelt wurde er auch nicht. Er hatte nur Lumpen, die vom Blut verkleistert waren. Ans Bein kriegte er einen dicken Klumpen Kohle. Ich glaube, selbst diesen Klumpen Kohle gönnte ihm der Skipper nur mit schiefem Maul. Ins Journal ist Paul nicht gekommen. Luft, verwehte Luft.«
40.
Paul war nicht der einzige Schlepp, den die »Yorikke« verschluckt und verdaut hat, während Stanislaw drauf war. Da war der Kurt, ein Junge von Memel, auch nicht optiert. Zu der Zeit trieb er sich in Australien herum, wurde aber nie erwischt, um interniert zu werden. Schließlich kriegte er namenloses Heimweh und mußte nach Deutschland. Irgendwo in Australien hatte er was ausgefressen. Eine Streikbrechergeschichte mit Streikbrecherverholzen, und einer von diesen Lumpen war liegengeblieben und nicht mehr aufgestanden. Kurt konnte nicht zum Konsul gehen, um auf treuem
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