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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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Lawski?«
    »Freilich, weiß ich davon. Wir waren ja sozusagen Brüder. Er war ein Deutscher. War aus Mülhausen im Elsaß. Seinen richtigen Namen weiß ich nicht. Kümmert mich auch nicht. Er sagte, er hieße Paul. Gerufen wurde er Franzos oder French eigentlich. War Kohlschlepp. Er hat mir mal in einer Nacht, als wir zusammen im Achterbunk saßen und er wie ein kleiner Junge heulte, erzählt, was mit ihm los war.
    Paul war in Mülhausen geboren und hatte Kupferschmied, glaube ich, gelernt in Straßburg oder in Metz. Ich habe das verwechselt, weil es nur so nebenbei war.
    Er ist dann auf die Wanderschaft gegangen nach Frankreich und Italien. In Italien war er interniert, als der Dreck da losging, oder warte mal, nein, es war anders. Er war in der Schweiz gewesen, als es losging, hatte kein Geld, wurde ’rübergeschoben und eingezogen. Dann wurde er auf einem Patrouillengang von den Italienern gefangengenommen. Er brach aus, stahl sich Zivilsachen, grub seine feldgrauen Lumpen ein und trieb sich in Mittelitalien und Süditalien herum. Er kannte ja die Gegenden, weil er da gearbeitet hatte.
    Endlich wurde er erwischt. Daß er ausgekniffener Kriegsgefangener war, wußte man nicht, man hielt ihn für einen Deutschen, der sich da während der ganzen Zeit herumgetrieben hatte, und so kam er in ein Internierungslager für Zivilgefangene. So war die Geschichte.
    Ehe noch die Zivilgefangenen ausgetauscht wurden, war er schon wieder ausgebrochen und walzte ’rauf durch die Schweiz. Er wurde abgeschoben nach Deutschland und arbeitete da in einer Brauerei. Dann kam er in revolutionäre Geschichten ’rein, wurde verhaftet und mit Landesverweis bedacht als Franzose. Die Franzosen nahmen ihn nicht an, weil er schon ewige Zeiten fort war von Mülhausen und weder für Frankreich noch für Deutschland optiert hatte. Was kümmert man sich als Arbeiter um solchen Quatsch. Da hat man andres zu denken und zu sorgen, besonders wenn man keine Arbeit hat und ’rumlaufen muß wie verrückt, um wenigstens was für den Magen zu schaffen.
    Aber er wurde wegen der bolschewistischen Sachen, von denen er gar nichts verstand, landesverwiesen. Er kriegte zweimal vierundzwanzig Stunden Zeit, sich zu verduften, oder sechs Monate Arbeitshaus. Kam er ’raus aus dem Arbeitshaus, so bekam er wieder zwei Tage Zeit, und war er nicht weg in der Zeit, dann blühte ihm wieder Arbeitshaus oder Gefängnis oder Internierungslager. Arbeitshaus haben sie ja nicht mehr oder nennen es nicht mehr so, wie er mir sagte. Aber sie haben dafür ähnliche Einrichtungen. Die Brüder finden immer eine neue Schikane, wenn sie mit einer alten aufräumen aus irgendwelchen Gründen. Was wissen die von menschlichen Gründen? Da gibt es bloß Verbrecher und Nichtverbrecher. Wer nicht beweisen kann, daß er bestimmt kein Verbrecher ist, der ist eben einer.
    Also ’raus mußte er. Er war ein halbes Dutzend mal schon beim französischen Konsul gewesen, aber der wollte nichts von ihm wissen, schmiß ihn ’raus und verbot ihm das Betreten des Konsulats.
    Paul walzte nun nach Luxemburg, machte die Grenzen und kam nach Frankreich. Als er geschnappt wurde, sagte der Esel, er sei Franzose. Es blieb ihm ja nichts weiter übrig. Es wurde nachgeforscht, und die fanden ’raus, daß er sich auf diesem Wege die französische Staatsangehörigkeit in ungesetzlicher Weise habe erschleichen wollen. Das ist ein großes Verbrechen. Ein saftiger Einbruch ist lange kein so großes Verbrechen. Die hätten ihm ein paar Jahre aufgeknackst.
    Na, kurz und gut, er kriegte ein Mauseloch, um zu entwischen. Anmusterung für die Fremdenlegion. Da konnte er sich ja ein Zehntel französische Staatsangehörigkeit verdienen, wenn er es aushielt.
    Aber er hielt es nicht aus und mußte kippen.
    Wie er mir erzählte, ist das ja nun so mit dem Abbrennen. Wo willst du hin? ’rüber auf spanisches Gebiet? Gut. Wenn nur der Weg nicht so weit wäre. Aber da kommen Marokkaner, die sich das Kopfgeld verdienen wollen. Man sieht es ihnen nicht an der Nasenspitze an, wenn man sie um ein paar Datteln oder um einen Schluck Wasser anbettelt. Und zurück als Deserteur, dann schon lieber mit einem Stück spitzen Holz erstechen.
    Dann wieder trifft man Marokkaner, die ziehen einen aus bis aufs Hemd und lassen einen liegen im Sonnenbrand und im Sande.
    Dann trifft man welche, die rauben einen nicht aus, aber schlagen einen tot oder martern einen tot, weil er von der verhaßten Legion ist oder von den verhaßten Christenhunden

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