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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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heute gemacht. Meist sind die Brillen auch nicht viel wert. Entweder man sieht nichts durch oder sie drücken oder der Schweiß läuft einem zwischen die Plüschdichtungen und frißt sich in die Augen.
    Hätte man elektrische Lampen gehabt, wäre das ja eine kleine Erleichterung. Aber nun die Lampen aus Karthago. In fünf Minuten ist der Kessel schwarz und dick von Rauch. Aber es muß geklopft werden.
    Und die Hämmer dröhnen innerhalb des Kessels, als ob tausend Donner einem unmittelbar auf das Trommelfell pauken.
    Es ist keine federnde Resonanz, sondern ein hart vibrierendes grell-kreischendes Pochen.
    Fünf Minuten, dann müssen wir ’raus, um Luft zu holen. Wir kochen in Schweiß, die heißen Lungen fliegen und flattern, das Herz tobt, als wollte es die Brust durchsprengen, und wir zittern in den Knien.
    Luft, nur Luft. Koste es, was es wolle. Und wir stehen in der Meeresbrise, die auf uns wirkt, als wäre sie ein Schneesturm in Saskatchewan. Ein breites hartes Schwert stößt durch unsern Körper in seiner ganzen Länge. Wir frieren und beben und sehnen uns zurück in die heiße Glut des Kessels.
    Wieder fünf Minuten, und wir schreien: Luft. Alle drei, die wir drin sind, drängen wir an das kleine Mannloch, durch das wir uns zwängen müssen. Nur einer kann zu gleicher Zeit durch und muß sich wie eine Katze drehen und winden, um herauszukommen. Während der Zeit, wo er sich durch das Mannloch zwängt, kommt auch nicht ein Hauch von Luft in den Kessel. Mit Mühe kriege ich, der ich zweiter bin am Loch, die Arme durch und zwänge mich hinaus. Der Heizer fällt innen um und schlägt hart auf. Er ist besinnungslos.
    »Stanislaw, der Heizer muß ’raus, hat schlappgemacht«, rufe ich mit letztem Atem. »Wenn wir ihn nicht holen, zockt er ab und erstickt.«
    »Ei-ei-ne Mi-nute, Pip-. Hab’ noch keine Luft wieder.« Es dauert nicht lange, und das Schwert sitzt uns wieder im Körper, und wie sehnen uns nach der kochenden Hitze des Kessels.
    Wir nehmen ein Tau. Ich winde mich wieder durch und hole den Heizer fest. Und nun arbeiten wir, ihn hinauszukriegen. Das ist das Schwerste. Hineinwinden und herauswinden kann man sich. Aber einen leblosen Menschen da durchzuziehen, das erfordert unendliche Geduld und Geschicklichkeit und Kenntnisse in der Anatomie. Der Kopf ist rasch durch. Aber die Schultern.
    Endlich schnüren wir die Schultern zusammen wie ein Paket, ganz fest, und dann können wir ihn hieven, und er kommt.
    In den Schneesturm bringen wir ihn nicht, sondern wir lassen ihn im Kesselraum und legen ihn sogar dicht in die Nähe der Feuer des Nachbarkessels. Wir binden seine Schultern los.
    Der Atem ist weg. Ganz weg. Aber das Herz pocht. Leise, doch regelmäßig. Wir gießen ihm Wasser über den Kopf und pressen einen nassen Sack aufs Herz. Dann fächeln wir ihm Wind ins Gesicht, blasen ihn an wie Holzkohlen und tragen ihn endlich unter die Windhuze.
    Stanislaw muß ’rauf und die Windhuze in den Wind stellen, damit frische Luft auf den Heizer fällt.
    Jetzt läßt sich der Hund von einem Roßtäuscher natürlich nicht sehen; aber wir brauchen uns nur etwas im Kessel erzählen, dann ist diese widerwärtige Fratze gleich am Mannloch und stopft uns die Luft ab mit seiner klobigen Knochenbeule. Er kriegt doch noch den Spitzhammer an den Kadaver geworfen. Möchte er wenigstens ein Wasserglas Rum für den Heizer bringen, der Schuft. Wir wollen ihn ja gar nicht trinken. Nur ein Schlückchen, um den Glasstaub aus der Kehle und aus den Zähnen zu kriegen.
    Der Heizer ist unter der Windhuze, und ich fange mit Armbewegungen an. Allmählich kommt er. Und er kommt immer besser. Als wir ihn hoch haben, auf den Kohlenhaufen setzen und in die Ecke drücken, damit er einen Halt hat, kommt der Zweite Ingenieur.
    »Was ist denn das, zur Hölle noch mal«, schreit er gleich, »werdet ihr bezahlt für Faulenzen oder für was?«
    Stanislaw oder ich oder wir beide hätten ja nun sagen können:
    »Der Heizer war…«
    Aber wir hatten beide dasselbe Gefühl, und unser Instinkt war wieder einmal richtig. Arbeiter brauchen nur auf ihren Instinkt hören, dann handeln sie schon ganz richtig. Gleichzeitig, ohne ein Wort zu sagen, hatten wir uns gebückt, in jede Hand einen sauberen dicken Brocken Kohle genommen und noch in derselben Sekunde dem Zweiten an seine Knochenbeule und an seinen Kadaver gefeuert.
    Die Arme um den Kopf herum, rannte er davon. Stanislaw lief ihm ein paar Schritte nach und schrie: »Du Giftkröte, wenn du einen

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