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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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verschwärte Seeleute genug in meinem Leben und in asiatischen und südamerikanischen Häfen in überreicher Vollkommenheit gesehen, aber solche Mannschaft und noch dazu eine, die nicht von einem Schiffbruch nach tagelangen Herumirren auf eine Küste geworfen wird, sondern die sich auf einem hinausfahrenden Dampfer befindet, je gesehen zu haben, konnte ich mich nicht erinnern. Daß so etwas denkbar wäre, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich sah gewiß nicht elegant aus, und wenn ich ehrlich sein soll, ich war dem Abgerissensein viel näher als dem Nichtzerlumptsein. Doch dieser Mannschaft gegenüber sah ich aus wie der Scheik eines Chormädchens der Ziegfeld-Follies in New York. Das war kein Totenschiff. Gott mag mir die Sünde vergeben. Das waren ja Seeräuber vor ihrer ersten Beute; Piraten, die seit sechs Monaten von den Kriegsschiffen aller Nationen verfolgt werden; Buccaneers, die so tief gesunken sind, daß sie keinen andern Ausweg mehr sehen, als chinesische Gemüse-Dschunken auf dem Meer zu überfallen und auszurauben.
    Heilige Seeschlange, waren die zerlumpt, waren die dreckig! Einer hatte keine Mütze auf, weil er weder Hut noch Mütze besaß, sondern hatte ein Stück von einem grünen Unterrock wie einen Turban um den Kopf gewickelt. Ein andrer hatte, meine Herren, nein, Sie werden es nicht glauben, aber ich will doch gleich auf einem Auslegerboot als Kesselheizer angemustert werden, wenn es nicht wahr ist, einer hatte sogar einen Zylinderhut auf. Stellen Sie sich das vor, ein Seemann mit einem Zylinderhut. Hat die Welt so etwas je erlebt? Vielleicht war er die letzte halbe Stunde vor der Ausfahrt noch Schornsteinfeger gewesen. Oder er hatte hier auf dem Eimer den Schornstein gefegt. Vielleicht war das eine besondere Anordnung auf der »Yorikke«, daß der Schornstein nur im Zylinderhut gefegt werden darf. Ähnliche merkwürdige Anordnungen habe ich auf Schiffen erlebt. Aber die »Yorikke« gehörte nicht zu jenen Schiffen, wo man merkwürdige Anordnungen einführte; die »Yorikke« war ein Schiff, wo man mit den Anordnungen, die tausend Jahre alt sind, genug zu tun hat, um den Eimer in Gang zu halten. Nein, dieser Zylinder war nur darum im Gebrauch, weil der Mann keine andre Kopfbedeckung hatte, und wenn er sie gehabt hätte, offenbar Geschmack genug besaß, daß er zu der Frackweste, die er auf dem Leibe trug, nicht gut eine Tellermütze aufsetzen konnte. Es schien gar nicht so unmöglich zu sein, daß er von seiner eignen Hochzeit entsprungen war in jenem verhängnisvollen Augenblick, als es anfing, ernst zu werden. Und weil er keinen andern Zufluchtsort vor den Megären fand, er in seiner letzten Not die »Yorikke« erwischte, wo man ihn mit offnen Armen willkommen hieß. Hier suchte ihn keine der Megären, sicher nicht einen, der in Frack und Zylinder der Braut die Hacken zeigte.
    Hätte ich gewußt, daß sie wirklich Seeräuber wären, ich hätte sie angefleht, mich mitzunehmen zu Ruhm und Gold. Aber wenn man kein Unterseeboot hat, ist Seeräuberei heute nicht mehr lohnend genug.
    Nein, da es keine Seeräuber sind, dann schon lieber den Henker, als hier gezwungen sein, die »Yorikke« zu fahren. Das Schiff, das mich von dem sonnigen Spanien fortlocken kann, das muß schon eins sein, doppelt so gut wie die Tuscaloosa. Ach, wie lang ist das her. Ob sie noch in New Orleans zu Hause ist? New Orleans, Jackson Square, Levee und ach – na, wollen wir mal wieder Blutwurst aufspießen; sobald der bunte Eimer vorüber ist, werden wir ja vielleicht noch einen Zweipfünder machen. Wenn nicht, ist es auch gut; dann wollen wir mal sehen, was die Nudelsuppe macht oder was es drüben auf dem Holländer zum Abendessen gibt.
    Wie eine Schnecke, die sich überfressen hat, sich aber gleichzeitig trainieren muß für das nächste Schneckenwettlaufen, so zog »Yorikke« vorüber.
    Als die Köpfe der Buschräuber gerade über mir waren, rief einer von ihnen herunter zu mir: »Hey, ain’t ye sailor?«
    »Yesser.«
    »Want a dschop?« Auf sein Englisch braucht er sich nichts einzubilden, aber für enge Familienverhältnisse reicht es aus.
    Ob ich Arbeit haben will.
    Ei, orgelspielender Grizzlybär, der wird das doch nicht etwa ernst meinen?
    Ob ich Arbeit haben will?
    Nun bin ich verloren. Da ist diese Frage, die ich mehr gefürchtet hatte als die Posaune des Erzengels Michael am Auferstehungstage. Es ist doch üblich, daß man selbst um Arbeit nachfragen gehen muß. Das ist doch ewiges unveränderliches Gesetz,

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