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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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nicht in Ordnung. Verflucht, sollte sie doch ein –, nein, trotz aller verdächtigen Begleitumstände, die »Yorikke« schien doch kein Totenschiff zu sein. Ich mußte die letzten Karten spielen.
    »Where ’re ye bound? Wohin geht ihr ’raus?«
    »Wo wollen Sie hin?«
    Die sind geeicht. Da ist kein Entrinnen. Ich kann rufen Südpol, ja, ich kann rufen Genf, sie werden mir, ohne zu zucken, entgegenrufen: »Da gehen wir hin.«
    Aber ich wußte ein Land, wo der Eimer nicht wagen dürfte, hinzugehen, das war England. Deshalb sagte ich: »England.«
    »Mann, was für ein Glück haben Sie!« schrie die Stimme. »Wir haben Ladung, Stückgut für Liverpool. Sie können da abmustern.«
    Da hatten sie sich verraten. Das einzige Land, wo ich nicht abmustern konnte und auch kein andrer Seemann, der nicht auf einem englischen Boot fuhr, das war England. Aber dieser Antwort Liverpool konnte ich nicht ausweichen. Ich konnte ihnen doch nicht beweisen, daß sie schwindeln.
    Es scheint so lächerlich zu sein. Es konnte mich natürlich niemand zwingen, anzuzeichnen für irgendein Boot, auf keinen Fall, solange ich hier auf festem Boden stand und nicht unter der Gerichtsbarkeit und Gesetzesgewalt des Skippers. Aber das ist ja immer so: Wenn man sich zu wohl und zu glücklich fühlt, dann möchte man es noch besser haben, läge dieses Besser-haben-Wollen auch nur darin versteckt, daß man sich nach einem Landschaftswechsel sehnt und eine stille ewige Hoffnung pflegt und nährt, daß jeder Wechsel zu Besserem führen müsse. Ich glaube, seit Adam sich im Paradiese langweilte, ist es der Fluch der Menschen, sich nie vollkommen glücklich zu fühlen und immer auf der Jagd nach einem größern Glück zu sein. Wenn ich an England denke mit seinem ewigen Nebel, seiner ewigen naßkalten Witterung, seiner Fremdenhetzerei, seines ewig stupid lächelnden Kronprinzen, dem die Maske angefroren ist, und es vergleiche mit diesem freien, sonnigen Lande und seinen freundlichen Bewohnern und mir nun vorstelle, daß ich alles dies zurücklassen soll, so ist mir aber doch in der Tat zum Sterben zumute.
    Aber da war das Schicksal. Ich hatte ja gesagt, ich hatte nun als guter Seemann, der zu seinem Wort steht, anzuzeichnen für den Eimer, und wenn er direkt auf den Meeresboden führe; mit diesem Boot, das ich ausgelacht, laut und heulend ausgelacht hatte, als ich es zum ersten Male gesehen, und das zu fahren ich nicht gedacht hatte, auch wenn ich den letzten Atemzug dadurch hätte aufhalten können. Nicht mit diesem Schiff und nicht mit dieser Mannschaft. »Yorikke« rächte sich dafür, daß ich sie ausgelacht hatte. Aber es geschah mir im Grunde ganz recht, warum war ich hier hinuntergegangen und hatte mich von ausfahrenden Schiffen sehen lassen. Da soll man mit der Nase wegbleiben, ausfahrende Eimer gehen einen gar nichts an, wenn es nicht der eigne ist, man soll sie in Ruhe lassen und nicht hinter ihnen her spucken wollen. Das ist immer Pech. Das können die nicht vertragen.
    Ein Seemann soll nicht von Fischen träumen, und er soll nicht an Fische denken, das ist nicht gut. Und ich war hierhergegangen und wollte sogar welche fangen. Jeder Fisch oder seine Mutter hat schon an einem ertrunkenen Seemann genascht, darum soll sich ein Seemann vor Fischen hüten. Wenn ein Seemann Fische essen will, soll er sie sich von einem ordentlichen Fischersmann kaufen. Fische fangen ist dessen Geschäft, dem tun sie nichts; wenn der von Fischen träumt, bedeutet es Geld.
    Ich schoß die letzte Frage, die möglich war: »Was wird gezahlt?«
    »Englisch Geld.«
    »Wie ist das Essen?«
    »Reichlich.«
    Nun war ich umzingelt. Nicht eine schmale Ritze blieb offen. Es gab für mein Gewissen auch nicht eine einzige Entschuldigung, mein Yes zurückzunehmen.
    Sie warfen ein Tau ’rüber, ich fing das Tau auf, schwang mich mit voran gestreckten Füßen gegen die Bordwand, und während sie von Deck aus das Tau einholten, stieg ich an der Wand empor und sprang oben über die Verschanzung.
    Als ich nun auf dem Deck stand, kam »Yorikke« merkwürdig rasch in volle Fahrt, und während ich das versinkende Spanien mit meinen Augen liebkoste, hatte ich das Gefühl, daß ich jetzt durch jenes große Tor geschritten war, über dem die schicksalsschweren Worte stehen:
     
    Wer hier eingeht,
    des Nam’ und Sein ist ausgelöscht,
    er ist verweht!

ZWEITES BUCH

INSCHRIFT
    ÜBER DEM MANNSCHAFTSQUARTIER
    DES TOTENSCHIFFES
     
    Wer hier eingeht,
    des Nam’ und Sein ist ausgelöscht.
    Er

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