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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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solange es nun schon Arbeiter gibt. Und ich bin nie fragen gegangen, immer aus Angst, es hätte einmal jemand ja sagen können.
    Wie alle Seeleute bin ich abergläubisch. Auf dem Schiff und auf dem Meer ist man auf Zufälle und also auch auf Aberglauben angewiesen, sonst hielte man es nicht aus und würde verrückt. Und dieser Aberglaube ist es, der mich zwingt, ja zu sagen, wenn mich jemand fragt, ob ich Arbeit haben will. Denn würde ich nein sagen, so würde ich mein Glück verschwören, würde nie wieder im Leben ein Schiff bekommen und am allerwenigsten bekommen, wenn ich es so bitter notwendig brauchte. Manchmal glückt das Erzählen einer Geschichte, aber manchmal glückt es nicht, und der Mann brüllt: »Polizei! Betrüger!« Wenn man dann nicht schnell ein Schiff zur Hand hat, glaubt die Polizei jenem Manne, der keinen Spaß versteht und keine Ideen hat.
    Dieser Aberglaube hat mir schon manchen bösen Streich gespielt und mir Beschäftigungen auf den Hals gebracht, von denen ich nie geglaubt hätte, daß solche überhaupt in der Welt vorhanden seien. Er war die Ursache, daß ich Totengräbergehilfe in Guayaquil in Ecuador wurde und daß ich auf einem Jahrmarkte in Irland mit meinen eignen Händen helfen mußte, das Kreuz, an dem unser Herr und Heiland Jesus Christus seinen letzten irdischen Seufzer aushauchte, splitterweise zu verkaufen. Jeder Splitter kostete eine halbe Krone, und das Vergrößerungsglas, das die Leute dazu kaufen mußten, um den Splitter auch zu sehen, kostete eine andre halbe Krone. Zu solcher Beschäftigung, die mir zweifellos nicht gut angeschrieben werden wird, kommt man aber, wenn man abergläubisch ist. Seitdem mir das in Irland zugestoßen ist, habe ich auch nichts mehr drum gegeben, ein braver und guter Mensch zu bleiben, denn ich wußte, daß ich nun alles Zukünftige verspielt hatte. Es war ja nicht, daß ich die Splitter hatte verkaufen helfen. Nein, das war nicht so schlimm, das wäre mir vielleicht gar als ein Verdienst angerechnet worden. Viel schlimmer war, daß ich auch geholfen hatte, mit dem Geschäftsinhaber in einem Hotelzimmer die Splitter aus einem alten Kistendeckel anzufertigen. Aber auch das wäre noch nicht so unverzeihlich gewesen, wenn ich nur nicht vor den Leuten meine Seele verschworen hätte, daß ich die Splitter selbst aus Palästina mitgebracht hätte, wo sie mir ein alter, zum Christentum bekehrter Araber, in dessen Familienbesitz die Splitter seit achtzehnhundert Jahren gewesen waren, anvertraut hätte mit der feierlichen Versicherung, daß ihm Gott im Traume erschienen sei und ihm anbefohlen habe, diese Splitter nur nach Irland und sonst nirgendwo anders hin gelangen zu lassen. Die in arabischen Zeichen geschriebenen Dokumente konnten wir vorweisen und auch eine Übersetzung in Englisch, aus der hervorging, daß in dem Dokumente wirklich das drin stünde, was wir auf dem Jahrmarkte erzählten. Solche Streiche kann einem der Aberglaube spielen, yes, Sir.
    Hätten wir das eingenommene Geld wenigstens an ein Kloster oder an den Papst abgeschickt, dann wäre es ja auch nicht so schlimm gewesen und ich hätte Hoffnung, daß mir vergeben würde. Aber wir verbrauchten das Geld für uns, und ich war sehr bedacht darauf, daß ich auch meine richtigen Prozente und Tantiemen bekam. Aber ich war keineswegs ein Betrüger, ich war nur ein Opfer des Aberglaubens, meines Aberglaubens. Denn die guten Leute glaubten mir, die waren nicht abergläubisch.

22.
     
    So war es ganz natürlich, daß, als ich gefragt wurde, ob ich Arbeit haben wollte, ich ja sagte. Ich war innerlich gezwungen, ja zu sagen, und ich konnte diesem Zwange nicht entweichen. Ich bin sicher, daß ich bleich wurde vor Todesangst, auf diesen Eimer zu müssen.
    »A. B.?« fragte der Mann.
    Glück zu, da war die Rettung. Die brauchten einen A. B. und ich war kein A. B. Ich hütete mich weislich, nun zu sagen:
    »Plain«, denn im Notfalle kann ein Deckarbeiter auch am Rande stehen, besonders wenn das Wetter ruhig ist und keine großen Kursveränderungen sind.
    Deshalb antwortete ich: »Nosser, no A. B. Black gang. Schwarze Bande.«
    »Fein!« schrie der Mann herunter. »Das ist ja, was wir brauchen. Mach hurtig voran. Hopp auf.«
    Nun wurde mir alles klar. Sie nahmen, was sie kriegten und woher sie es kriegten, weil sie um soundso viele Mann zu kurz waren. Ich hätte sagen können: Koch, oder ich hätte rufen können: Zimmermann oder Boss’n, sie würden immer gerufen haben: »Hopp auf!« Da war etwas

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