Das Totenschiff
behandelt glaubten, und die sich klaglos hätten zu Tode peitschen lassen – und auch das habe ich gesehen – als aufzustehen, die Last zu übernehmen oder die schlechte Behandlung weiter zu erdulden. Ich habe Esel gesehen, die zu Leuten verkauft worden waren, die Tiere schändlich peinigten, und die Esel hörten auf zu fressen und starben weg. Nicht einmal Mais vermochte ihren Entschluß zu ändern. Aber der Mensch? Der Herr der Schöpfung? Er liebt es, Sklave zu sein, er ist stolz, Soldat sein zu dürfen und niederkartätscht zu werden, er liebt es, gepeitscht und gemartert zu werden. Warum? Weil er denken kann. Weil er sich Hoffnung denken kann. Weil er hofft, daß es auch wieder besser gehen wird. Das ist sein Fluch und nie sein Segen. Mitleid mit Sklaven? Mitleid mit Soldaten und mit Soldatenkrüppeln? Haß gegen Tyrannen? Nein! Nein! Nein!
Wäre ich über die Reling gesprungen, dann würde ich jetzt nicht in einer Hölle sein, wo es selbst die Teufel nicht aushalten können. Aber ich sprang nicht und habe nun kein Recht, mich zu beklagen oder gar andre anzuklagen. Laß den Bettler verhungern, wenn du den Menschen in ihm achtest. Ich habe kein Recht, mein trauriges Schicksal zu beklagen. Warum sprang ich nicht? Warum springe ich jetzt nicht? Warum lasse ich mich peitschen und martern? Weil ich hoffe, ins Leben zurückkehren zu können. Weil ich hoffe, New Orleans wiederzusehen. Weil ich hoffe und weil ich lieber durch die Schiet schwimme, als meine gehätschelte und getätschelte Hoffnung in die Schiet zu werfen. Imperator, du wirst niemals um Gladiatoren verlegen sein; die schönsten und stolzesten Männer werden dich anflehen: »O angebeteter, o bewunderungswürdiger Imperator, laß mich dein Gladiator sein!«
30.
Natürlich kann ich hier arbeiten. Da arbeiten ja auch andre. Das sehe ich ja mit eignen Augen. Was ein andrer kann, das kann ich auch. Der Nachahmungstrieb des Menschen macht Helden und macht Sklaven. Wenn der nicht an den Peitschenhieben stirbt, dann werde ich sie wohl auch überleben können. »Siehst du, der da, der geht direkt drauf los auf das Maschinengewehrfeuer, Donnerwetter noch mal, das ist ein Kerl, verflucht noch mal, vor dem muß man Achtung haben, das ist ein Kerl, der hat Mumm in den Knochen.« Natürlich kann ich das auch. So geht der Krieg voran, und so fahren die Totenschiffe, alles nach demselben Rezept. Die Menschen haben nur eine Schablone, nach der sie alles machen; das geht so glatt, daß sie ihr Hirn gar nicht anstrengen brauchen, um ein andres Rezept auszudenken. Man geht nichts lieber als ausgetretene Pfade. Da fühlt man sich so schön sicher. Der Nachahmungstrieb ist schuld daran, daß die Menschheit innerhalb der letzten sechstausend Jahre keine Fortschritte gemacht hat, sondern trotz Radio und Fliegerei in derselben Barbarei lebt wie am Anfang der europäischen Periode. So hat es der Vater gemacht, und so hat es der Sohn nachzumachen. Schluß. Was für mich, den Vater, gut genug war, wird für dich, du Rotznase, wohl erst recht gut genug sein. Die heilige Konstitution, die für George Washington und die Revolutionskämpfer gut genug war, ist erst recht gut genug für uns. Und die Konstitution ist gut, denn sie hat hundertfünfzig Jahre schon ausgehalten. Aber auch Konstitutionen, die einmal junges feuriges Blut in den Adern hatten, bekommen mit der Zeit Adernverkalkung. Die beste Religion ist eines Tages heidnischer Aberglaube, und keine Religion macht hiervon eine Ausnahme. Allein das, was anders gemacht wurde, als bisher, allein das, was unter Protest der Väter und Heiligen und Verantwortlichen anders gedacht wurde, hat der Menschheit neue Ausblicke verschafft und ihr den Glauben gegeben, daß eines fernen Tages doch ein Fortschreiten wird beobachtet werden können. Dieser ferne Tag wird in Sicht sein, wenn die Menschen nicht mehr an Institutionen glauben und nicht an Autoritäten…
»Was stehst du denn ’rum? Wie heißt du überhaupt, Schlepp?« Mein Heizer war ’runtergekommen und brummte übel gelaunt herum.
»Pippip ist mein Name.«
Das schien seine Laune ein wenig zu verbessern.
»Dann bist du wohl ein Perser?«
»Nein, ich bin Abessinier. Meine Mutter war Parse. Die werfen ihre Leichen den Geiern vor.«
»Wir den Fischen. Da scheint deine Mutter eine ganz anständige Frau gewesen zu sein. Meine war eine alte verfluchte Hure. Aber wenn du Hurensohn zu mir sagst, dann gibt es eins in die Fresse.«
Also er war Spanier. Wenn die drei Worte
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