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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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menschliche Gestalt, verrußt und mit glitzernden Streifen rieselnden Schweißes. Die Gestalt stand da, die Arme verschränkt und starrte bewegungslos auf die Quelle des rötlichen Scheines. Dann bewegte sich die Gestalt, ergriff ein langes schweres Schüreisen und stellte es an die Rückwand, nachdem sie unschlüssig damit herumgewirtschaftet hatte. Die Gestalt ging jetzt vor, bückte sich, und einen Augenblick darauf war es, als sei sie von Flammen umlodert. Dann reckte sich die Gestalt hoch, die Flammen waren verlöscht, und übrig blieb nur der gespenstische rötliche Schein.
    Ich wollte die Leiter hinuntergehen. Als ich aber einen Fuß auf die oberste Sprosse gesetzt hatte, schlug mir eine entsetzliche Säule von Hitze, erstickendem Ölgestank, Kohlenstaub, Flugasche, dickem Petroleumqualm und Wasserdampf entgegen. Ich fiel zurück, und mit einem lauten Japser schnappte ich nach frischer Luft, weil ich glaubte, meine Lungen könnten nicht mehr arbeiten.
    Aber es half nichts. Ich mußte da hinunter. Da war ein Mann unten. Ein lebender Mensch, der sich bewegen kann. Und wo ein andrer Mensch sein kann, da kann auch ich sein. Ich kletterte rasch fünf oder sechs Sprossen, dann aber ging es nicht mehr. Mit einem Rasen sauste ich wieder hoch, um Luft zu bekommen.
    Die Leiter war aus Eisen, die Sprossen aus fingerdickem Rundeisen. Nur an der einen Seite war ein Geländer, die andre Seite, die äußere Seite, war ohne Geländer, also just die Seite war offen, wo man in den Schacht abstürzen konnte, während die Seite, die an der Wand der Maschinenhalle war, mit einem Geländer gesichert war.
    Als ich meine Lungen wieder aufgefüllt hatte, machte ich den dritten Versuch, und ich kam auf eine Plattform. Drei Schritte über die Plattform, die nur einen halben Schritt breit war, führten zum Ende der Platte, wo eine zweite Leiter tiefer in den Schacht ging. Diese drei Schritte konnte ich aber nicht machen. In Gesichtshöhe war hier die Aschenhievwintsche, und das Dampfrohr der Wintsche hatte einen langen, aber ganz dünnen Riß. Durch diesen Riß zischte ein brühend heißer Wasserdampf, scharf und schneidend wie eine Stichflamme. Der Riß lag so, daß selbst, wenn man sich bückte, man diesem schneidenden Dampfstrahl nicht ausweichen konnte. Ich versuchte, mich hochzurecken, aber dann wurden die Arme und die Brust angefressen und verbrüht. Inzwischen mußte ich hoch, um Luft zu schöpfen.
    Ich war auf falschem Wege. Das war nicht der meine. Ich ging wieder zur Galley, wo Stanislaw immer noch nach Seife suchte.
    »Ich gehe mit dir ’runter, komm los«, sagte er bereitwillig.
    Als wir auf dem Wege waren, sagte er: »Du bist doch nie Kesselbums gewesen, nicht wahr? Habe ich doch gleich gesehen. Zu einer Wintsche sagt man doch nicht guten Tag, der haut man eins auf den Schädel und fertig.«
    Ich war nicht in der Laune, ihm jetzt zu erzählen, wie man mit Dingen umzugehen hat, die eine Seele haben.
    »Recht hast du, Lawski, bin nie beim Kessel gewesen, habe noch nie da überhaupt ’reingeguckt. War Deckarbeiter, Steward, Kabinenjunge, seit ich meinen ersten Eimer gesehen habe. Nie schwarzen Gang gerochen, war mir immer zu stickig. Sag, willst du mir nicht für die erste Wache eine Krume zur Hand gehen?«
    »Rede nicht lange. Freilich. Komm nur voran. Wir werden die Kohlsuppe schon kochen. Kenne deine Sorgen. Dein erster Leichenwagen. Ich kenne die Särge, kannst mir glauben. Aber manchmal dankst du Himmel und Hölle, daß dir eine ›Yorikke‹ quer vor ’n Bug kommt, und du hoppst drauf mit einem Wonnegefühl, als ob – ja, hab nur keine Bange. Wenn was krumm geht, ruf mich nur. Ich zieh’ dich schon ’raus aus dem Dreck. Wenn wir auch alle miteinander Tote sind, nur nicht verzagen. Schlimmer kann es nicht kommen.«
    Es kam aber schlimmer. Man kann ein Totenschiff fahren. Man kann ein Toter sein, ein Toter zwischen Toten. Ausgelöscht kann man sein aus der Reihe der Lebenden, hinweggeweht von der Oberfläche der Welt, und kann dennoch gezwungen sein, entsetzliche Qualen zu erdulden, denen man nicht entgehen kann, weil man schon tot ist, weil einem kein weiterer Weg zur Flucht offengelassen ist.
     

29.
     
    Ich sah Stanislaw zu dem Schacht gehen, den ich soeben verlassen hatte, weil ich glaubte, ich hätte mich im Wege geirrt. Er kletterte die Leiter ohne zu zögern hinunter, und ich folgte ihm. Als wir am Ende der ersten Leiter waren und auf die Platte kamen, die unter dem heißen Dampfstrahl lag, sagte ich: »Da

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